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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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so zärtlich wäre. Du glaubst es nich, immer is er
da. Un nu sieh ihn Dir an. Es is doch eigent¬
lich man ein Jammer mit ihm un dabei richtige 56
un vielleicht is es noch ein Jahr mehr. Denn
lügen thut er auch, wenn's ihm gerade paßt. Un
da hilft auch nichts, gar nichts. Ich erzähl' ihm
immer von Schlag und Schlag und zeig' ihm welche,
die so humpeln und einen schiefen Mund haben,
aber er lacht blos immer und glaubt es nich. Es
kommt aber doch so. Ja, Leneken, ich glaub' es
ganz gewiß, daß es so kommt. Und vielleicht balde.
Na, verschrieben hat er mir alles un so sag' ich
weiter nichts. Wie einer sich legt, so liegt er.
Aber was reden wir von Schlag und Dörr un daß
er blos O-Beine hat. Jott, mein Lenechen, da
giebt es ganz andere Leute, die sind so grade ge¬
wachsen wie 'ne Tanne. Nich wahr. Lene?"

Lene wurde hierbei noch röther, als sie schon
war, und sagte: "Der Bolzen ist kalt geworden."
Und vom Plättbrett zurücktretend, ging sie bis an
den eisernen Ofen und schüttete den Bolzen in die
Kohlen zurück, um einen neuen heraus zu nehmen.
Alles war das Werk eines Augenblicks. Und nun
ließ sie mit einem geschickten Ruck den neuen
glühenden Bolzen vom Feuerhaken in das Plätt¬
eisen niedergleiten, klappte das Thürchen wieder ein
und sah nun erst, daß Frau Dörr noch immer auf

ſo zärtlich wäre. Du glaubſt es nich, immer is er
da. Un nu ſieh ihn Dir an. Es is doch eigent¬
lich man ein Jammer mit ihm un dabei richtige 56
un vielleicht is es noch ein Jahr mehr. Denn
lügen thut er auch, wenn's ihm gerade paßt. Un
da hilft auch nichts, gar nichts. Ich erzähl' ihm
immer von Schlag und Schlag und zeig' ihm welche,
die ſo humpeln und einen ſchiefen Mund haben,
aber er lacht blos immer und glaubt es nich. Es
kommt aber doch ſo. Ja, Leneken, ich glaub' es
ganz gewiß, daß es ſo kommt. Und vielleicht balde.
Na, verſchrieben hat er mir alles un ſo ſag' ich
weiter nichts. Wie einer ſich legt, ſo liegt er.
Aber was reden wir von Schlag und Dörr un daß
er blos O-Beine hat. Jott, mein Lenechen, da
giebt es ganz andere Leute, die ſind ſo grade ge¬
wachſen wie 'ne Tanne. Nich wahr. Lene?“

Lene wurde hierbei noch röther, als ſie ſchon
war, und ſagte: „Der Bolzen iſt kalt geworden.“
Und vom Plättbrett zurücktretend, ging ſie bis an
den eiſernen Ofen und ſchüttete den Bolzen in die
Kohlen zurück, um einen neuen heraus zu nehmen.
Alles war das Werk eines Augenblicks. Und nun
ließ ſie mit einem geſchickten Ruck den neuen
glühenden Bolzen vom Feuerhaken in das Plätt¬
eiſen niedergleiten, klappte das Thürchen wieder ein
und ſah nun erſt, daß Frau Dörr noch immer auf

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[20/0030] ſo zärtlich wäre. Du glaubſt es nich, immer is er da. Un nu ſieh ihn Dir an. Es is doch eigent¬ lich man ein Jammer mit ihm un dabei richtige 56 un vielleicht is es noch ein Jahr mehr. Denn lügen thut er auch, wenn's ihm gerade paßt. Un da hilft auch nichts, gar nichts. Ich erzähl' ihm immer von Schlag und Schlag und zeig' ihm welche, die ſo humpeln und einen ſchiefen Mund haben, aber er lacht blos immer und glaubt es nich. Es kommt aber doch ſo. Ja, Leneken, ich glaub' es ganz gewiß, daß es ſo kommt. Und vielleicht balde. Na, verſchrieben hat er mir alles un ſo ſag' ich weiter nichts. Wie einer ſich legt, ſo liegt er. Aber was reden wir von Schlag und Dörr un daß er blos O-Beine hat. Jott, mein Lenechen, da giebt es ganz andere Leute, die ſind ſo grade ge¬ wachſen wie 'ne Tanne. Nich wahr. Lene?“ Lene wurde hierbei noch röther, als ſie ſchon war, und ſagte: „Der Bolzen iſt kalt geworden.“ Und vom Plättbrett zurücktretend, ging ſie bis an den eiſernen Ofen und ſchüttete den Bolzen in die Kohlen zurück, um einen neuen heraus zu nehmen. Alles war das Werk eines Augenblicks. Und nun ließ ſie mit einem geſchickten Ruck den neuen glühenden Bolzen vom Feuerhaken in das Plätt¬ eiſen niedergleiten, klappte das Thürchen wieder ein und ſah nun erſt, daß Frau Dörr noch immer auf

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/30>, abgerufen am 21.11.2024.