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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Und wirklich, sie fuhren hinaus und wiewohl die
Charlottenburger Luft noch mehr hinter dem "Athem
Gottes" zurückblieb als die Berliner, so war Käthe
doch fest entschlossen, im Schloßpark zu bleiben und
Halensee fallen zu lassen. Westend sei so lang¬
weilig und Halensee sei noch wieder eine halbe
Reise, fast wie nach Schlangenbad, im Schloßpark
aber könne man das Mausoleum sehen, wo die
blaue Beleuchtung einen immer so sonderbar berühre,
ja, sie möchte sagen, wie wenn einem ein Stück
Himmel in die Seele falle. Das stimme dann
andächtig und zu frommer Betrachtung. Und wenn
auch das Mausoleum nicht wäre, so wäre doch die
Karpfenbrücke da, mit der Klingel dran und wenn
dann ein großer Mooskarpfen käme, so wär' es ihr
immer, als käm' ein Krokodil. Und vielleicht wär'
auch eine Frau mit Kringeln und Oblaten da, von
der man etwas kaufen und dadurch im Kleinen ein
gutes Werk thun könne, sie sage mit Absicht ein
"gutes Werk" und vermeide das Wort christlich,
denn Frau Salinger habe auch immer gegeben.

Und alles verlief programmmäßig und als die
Karpfen gefüttert waren, gingen beide weiter in den
Park hinein, bis sie bis dicht an das Belvedere
kamen mit seinen Rokokofiguren und seinen histo¬
rischen Erinnerungen. Von diesen Erinnerungen
wußte Käthe nichts und Botho nahm deshalb

Und wirklich, ſie fuhren hinaus und wiewohl die
Charlottenburger Luft noch mehr hinter dem „Athem
Gottes“ zurückblieb als die Berliner, ſo war Käthe
doch feſt entſchloſſen, im Schloßpark zu bleiben und
Halenſee fallen zu laſſen. Weſtend ſei ſo lang¬
weilig und Halenſee ſei noch wieder eine halbe
Reiſe, faſt wie nach Schlangenbad, im Schloßpark
aber könne man das Mauſoleum ſehen, wo die
blaue Beleuchtung einen immer ſo ſonderbar berühre,
ja, ſie möchte ſagen, wie wenn einem ein Stück
Himmel in die Seele falle. Das ſtimme dann
andächtig und zu frommer Betrachtung. Und wenn
auch das Mauſoleum nicht wäre, ſo wäre doch die
Karpfenbrücke da, mit der Klingel dran und wenn
dann ein großer Mooskarpfen käme, ſo wär' es ihr
immer, als käm' ein Krokodil. Und vielleicht wär'
auch eine Frau mit Kringeln und Oblaten da, von
der man etwas kaufen und dadurch im Kleinen ein
gutes Werk thun könne, ſie ſage mit Abſicht ein
„gutes Werk“ und vermeide das Wort chriſtlich,
denn Frau Salinger habe auch immer gegeben.

Und alles verlief programmmäßig und als die
Karpfen gefüttert waren, gingen beide weiter in den
Park hinein, bis ſie bis dicht an das Belvedere
kamen mit ſeinen Rokokofiguren und ſeinen hiſto¬
riſchen Erinnerungen. Von dieſen Erinnerungen
wußte Käthe nichts und Botho nahm deshalb

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[276/0286] Und wirklich, ſie fuhren hinaus und wiewohl die Charlottenburger Luft noch mehr hinter dem „Athem Gottes“ zurückblieb als die Berliner, ſo war Käthe doch feſt entſchloſſen, im Schloßpark zu bleiben und Halenſee fallen zu laſſen. Weſtend ſei ſo lang¬ weilig und Halenſee ſei noch wieder eine halbe Reiſe, faſt wie nach Schlangenbad, im Schloßpark aber könne man das Mauſoleum ſehen, wo die blaue Beleuchtung einen immer ſo ſonderbar berühre, ja, ſie möchte ſagen, wie wenn einem ein Stück Himmel in die Seele falle. Das ſtimme dann andächtig und zu frommer Betrachtung. Und wenn auch das Mauſoleum nicht wäre, ſo wäre doch die Karpfenbrücke da, mit der Klingel dran und wenn dann ein großer Mooskarpfen käme, ſo wär' es ihr immer, als käm' ein Krokodil. Und vielleicht wär' auch eine Frau mit Kringeln und Oblaten da, von der man etwas kaufen und dadurch im Kleinen ein gutes Werk thun könne, ſie ſage mit Abſicht ein „gutes Werk“ und vermeide das Wort chriſtlich, denn Frau Salinger habe auch immer gegeben. Und alles verlief programmmäßig und als die Karpfen gefüttert waren, gingen beide weiter in den Park hinein, bis ſie bis dicht an das Belvedere kamen mit ſeinen Rokokofiguren und ſeinen hiſto¬ riſchen Erinnerungen. Von dieſen Erinnerungen wußte Käthe nichts und Botho nahm deshalb

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/286>, abgerufen am 24.11.2024.