Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Botho versprach Besserung, und als Käthe, die
die Superlative liebte, nach Vorführung eines
phänomenal reichen Amerikaners, eines absolut
kakerlakigen Schweden mit Kaninchenaugen und einer
faszinirend schönen Spanierin -- mit einem Nach¬
mittagsausfluge nach Limburg, Oranienstein und
Nassau geschlossen und ihrem Gatten abwechselnd die
Krypt, die Kadettenanstalt und die Wasserheilanstalt
beschrieben hatte, zeigte sie plötzlich auf die Schlo߬
kuppel nach Charlottenburg und sagte: "Weißt Du,
Botho, da müssen wir heute noch hin oder nach
Westend oder nach Halensee. Die Berliner Luft ist
doch etwas stickig und hat nichts von dem Athem
Gottes, der draußen weht und den die Dichter mit
Recht so preisen. Und wenn man aus der Natur
kommt, so wie ich, so hat man das, was ich die
Reinheit und Unschuld nennen möchte, wieder lieb
gewonnen. Ach, Botho, welcher Schatz ist doch ein
unschuldiges Herz. Ich habe mir fest vorgenommen,
mir ein reines Herz zu bewahren. Und Du mußt
mir darin helfen. Ja, das mußt Du, versprich es
mir. Nein, nicht so; Du mußt mir dreimal einen
Kuß auf die Stirn geben, bräutlich, ich will keine
Zärtlichkeit, ich will einen Weihekuß. . . Und wenn
wir uns mit einem Lunch begnügen, natürlich ein
warmes Gericht, so können wir um drei draußen sein."


18 *

Botho verſprach Beſſerung, und als Käthe, die
die Superlative liebte, nach Vorführung eines
phänomenal reichen Amerikaners, eines abſolut
kakerlakigen Schweden mit Kaninchenaugen und einer
faszinirend ſchönen Spanierin — mit einem Nach¬
mittagsausfluge nach Limburg, Oranienſtein und
Naſſau geſchloſſen und ihrem Gatten abwechſelnd die
Krypt, die Kadettenanſtalt und die Waſſerheilanſtalt
beſchrieben hatte, zeigte ſie plötzlich auf die Schlo߬
kuppel nach Charlottenburg und ſagte: „Weißt Du,
Botho, da müſſen wir heute noch hin oder nach
Weſtend oder nach Halenſee. Die Berliner Luft iſt
doch etwas ſtickig und hat nichts von dem Athem
Gottes, der draußen weht und den die Dichter mit
Recht ſo preiſen. Und wenn man aus der Natur
kommt, ſo wie ich, ſo hat man das, was ich die
Reinheit und Unſchuld nennen möchte, wieder lieb
gewonnen. Ach, Botho, welcher Schatz iſt doch ein
unſchuldiges Herz. Ich habe mir feſt vorgenommen,
mir ein reines Herz zu bewahren. Und Du mußt
mir darin helfen. Ja, das mußt Du, verſprich es
mir. Nein, nicht ſo; Du mußt mir dreimal einen
Kuß auf die Stirn geben, bräutlich, ich will keine
Zärtlichkeit, ich will einen Weihekuß. . . Und wenn
wir uns mit einem Lunch begnügen, natürlich ein
warmes Gericht, ſo können wir um drei draußen ſein.“


18 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0285" n="275"/>
        <p>Botho ver&#x017F;prach Be&#x017F;&#x017F;erung, und als Käthe, die<lb/>
die Superlative liebte, nach Vorführung eines<lb/>
phänomenal reichen Amerikaners, eines ab&#x017F;olut<lb/>
kakerlakigen Schweden mit Kaninchenaugen und einer<lb/>
faszinirend &#x017F;chönen Spanierin &#x2014; mit einem Nach¬<lb/>
mittagsausfluge nach Limburg, Oranien&#x017F;tein und<lb/>
Na&#x017F;&#x017F;au ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und ihrem Gatten abwech&#x017F;elnd die<lb/>
Krypt, die Kadettenan&#x017F;talt und die Wa&#x017F;&#x017F;erheilan&#x017F;talt<lb/>
be&#x017F;chrieben hatte, zeigte &#x017F;ie plötzlich auf die Schlo߬<lb/>
kuppel nach Charlottenburg und &#x017F;agte: &#x201E;Weißt Du,<lb/>
Botho, da mü&#x017F;&#x017F;en wir heute noch hin oder nach<lb/>
We&#x017F;tend oder nach Halen&#x017F;ee. Die Berliner Luft i&#x017F;t<lb/>
doch etwas &#x017F;tickig und hat nichts von dem Athem<lb/>
Gottes, der draußen weht und den die Dichter mit<lb/>
Recht &#x017F;o prei&#x017F;en. Und wenn man aus der Natur<lb/>
kommt, &#x017F;o wie ich, &#x017F;o hat man das, was ich die<lb/>
Reinheit und Un&#x017F;chuld nennen möchte, wieder lieb<lb/>
gewonnen. Ach, Botho, welcher Schatz i&#x017F;t doch ein<lb/>
un&#x017F;chuldiges Herz. Ich habe mir fe&#x017F;t vorgenommen,<lb/>
mir ein reines Herz zu bewahren. Und Du mußt<lb/>
mir darin helfen. Ja, das mußt Du, ver&#x017F;prich es<lb/>
mir. Nein, nicht &#x017F;o; Du mußt mir dreimal einen<lb/>
Kuß auf die Stirn geben, bräutlich, ich will keine<lb/>
Zärtlichkeit, ich will einen Weihekuß. . . Und wenn<lb/>
wir uns mit einem Lunch begnügen, natürlich ein<lb/>
warmes Gericht, &#x017F;o können wir um drei draußen &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">18 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0285] Botho verſprach Beſſerung, und als Käthe, die die Superlative liebte, nach Vorführung eines phänomenal reichen Amerikaners, eines abſolut kakerlakigen Schweden mit Kaninchenaugen und einer faszinirend ſchönen Spanierin — mit einem Nach¬ mittagsausfluge nach Limburg, Oranienſtein und Naſſau geſchloſſen und ihrem Gatten abwechſelnd die Krypt, die Kadettenanſtalt und die Waſſerheilanſtalt beſchrieben hatte, zeigte ſie plötzlich auf die Schlo߬ kuppel nach Charlottenburg und ſagte: „Weißt Du, Botho, da müſſen wir heute noch hin oder nach Weſtend oder nach Halenſee. Die Berliner Luft iſt doch etwas ſtickig und hat nichts von dem Athem Gottes, der draußen weht und den die Dichter mit Recht ſo preiſen. Und wenn man aus der Natur kommt, ſo wie ich, ſo hat man das, was ich die Reinheit und Unſchuld nennen möchte, wieder lieb gewonnen. Ach, Botho, welcher Schatz iſt doch ein unſchuldiges Herz. Ich habe mir feſt vorgenommen, mir ein reines Herz zu bewahren. Und Du mußt mir darin helfen. Ja, das mußt Du, verſprich es mir. Nein, nicht ſo; Du mußt mir dreimal einen Kuß auf die Stirn geben, bräutlich, ich will keine Zärtlichkeit, ich will einen Weihekuß. . . Und wenn wir uns mit einem Lunch begnügen, natürlich ein warmes Gericht, ſo können wir um drei draußen ſein.“ 18 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/285
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/285>, abgerufen am 24.11.2024.