Rühren, aber er bezwang sich und rief sich zu, wenn auch freilich mit einem Anfluge von Ironie, "daß endlich einmal ein Exempel statuirt werden müsse." So begann er denn, so gut er konnte, die Rolle des donnernden Zeus zu spielen. Wo sie nur ge¬ steckt hätten? Ob das Ordnung und gute Sitte sei? Er habe nicht Lust, der gnädigen Frau, wenn sie zurück komme (vielleicht heute schon), einen aus Rand und Band gegangenen Hausstand zu über¬ liefern. Und der Bursche? "Nun, ich will nichts wissen, nichts hören, am wenigsten Entschuldigungen." Und als dies heraus war, ging er weiter und lächelte, zumeist über sich selbst. "Wie leicht ist doch predigen und wie schwer ist danach handeln und thun. Armer Kanzelheld ich! Bin ich nicht selbst aus Rand und Band? Bin ich nicht selber aus Ordnung und guter Sitte? Daß es war, das möchte gehn, aber daß es noch ist, das ist das Schlimme."
Dabei nahm er wieder seinen Platz auf dem Balkon und klingelte. Jetzt kam auch der Bursche, fast noch ängstlicher und verlegener als die Mädchen, aber es hatte keine Noth mehr, das Wetter war vorüber. "Sage der Köchin, daß ich etwas essen will. Nun, warum stehst Du noch? Ah, ich sehe schon (und er lachte), nichts im Hause. Trifft sich alles vorzüglich . . . -- Also Thee; bringe mir
Rühren, aber er bezwang ſich und rief ſich zu, wenn auch freilich mit einem Anfluge von Ironie, „daß endlich einmal ein Exempel ſtatuirt werden müſſe.“ So begann er denn, ſo gut er konnte, die Rolle des donnernden Zeus zu ſpielen. Wo ſie nur ge¬ ſteckt hätten? Ob das Ordnung und gute Sitte ſei? Er habe nicht Luſt, der gnädigen Frau, wenn ſie zurück komme (vielleicht heute ſchon), einen aus Rand und Band gegangenen Hausſtand zu über¬ liefern. Und der Burſche? „Nun, ich will nichts wiſſen, nichts hören, am wenigſten Entſchuldigungen.“ Und als dies heraus war, ging er weiter und lächelte, zumeiſt über ſich ſelbſt. „Wie leicht iſt doch predigen und wie ſchwer iſt danach handeln und thun. Armer Kanzelheld ich! Bin ich nicht ſelbſt aus Rand und Band? Bin ich nicht ſelber aus Ordnung und guter Sitte? Daß es war, das möchte gehn, aber daß es noch iſt, das iſt das Schlimme.“
Dabei nahm er wieder ſeinen Platz auf dem Balkon und klingelte. Jetzt kam auch der Burſche, faſt noch ängſtlicher und verlegener als die Mädchen, aber es hatte keine Noth mehr, das Wetter war vorüber. „Sage der Köchin, daß ich etwas eſſen will. Nun, warum ſtehſt Du noch? Ah, ich ſehe ſchon (und er lachte), nichts im Hauſe. Trifft ſich alles vorzüglich . . . — Alſo Thee; bringe mir
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0261"n="251"/>
Rühren, aber er bezwang ſich und rief ſich zu, wenn<lb/>
auch freilich mit einem Anfluge von Ironie, „daß<lb/>
endlich einmal ein Exempel ſtatuirt werden müſſe.“<lb/>
So begann er denn, ſo gut er konnte, die Rolle<lb/>
des donnernden Zeus zu ſpielen. Wo ſie nur ge¬<lb/>ſteckt hätten? Ob das Ordnung und gute Sitte<lb/>ſei? Er habe nicht Luſt, der gnädigen Frau, wenn<lb/>ſie zurück komme (vielleicht heute ſchon), einen aus<lb/>
Rand und Band gegangenen Hausſtand zu über¬<lb/>
liefern. Und der Burſche? „Nun, ich will nichts<lb/>
wiſſen, nichts hören, am wenigſten Entſchuldigungen.“<lb/>
Und als dies heraus war, ging er weiter und<lb/>
lächelte, zumeiſt über ſich ſelbſt. „Wie leicht iſt<lb/>
doch predigen und wie ſchwer iſt danach handeln<lb/>
und thun. Armer Kanzelheld ich! Bin ich nicht<lb/>ſelbſt aus Rand und Band? Bin ich nicht ſelber<lb/>
aus Ordnung und guter Sitte? Daß es war, das<lb/>
möchte gehn, aber daß es noch iſt, das iſt das<lb/>
Schlimme.“</p><lb/><p>Dabei nahm er wieder ſeinen Platz auf dem<lb/>
Balkon und klingelte. Jetzt kam auch der Burſche,<lb/>
faſt noch ängſtlicher und verlegener als die Mädchen,<lb/>
aber es hatte keine Noth mehr, das Wetter war<lb/>
vorüber. „Sage der Köchin, daß ich etwas eſſen<lb/>
will. Nun, warum ſtehſt Du noch? Ah, ich ſehe<lb/>ſchon (und er lachte), nichts im Hauſe. Trifft ſich<lb/>
alles vorzüglich . . . — Alſo Thee; bringe mir<lb/></p></div></body></text></TEI>
[251/0261]
Rühren, aber er bezwang ſich und rief ſich zu, wenn
auch freilich mit einem Anfluge von Ironie, „daß
endlich einmal ein Exempel ſtatuirt werden müſſe.“
So begann er denn, ſo gut er konnte, die Rolle
des donnernden Zeus zu ſpielen. Wo ſie nur ge¬
ſteckt hätten? Ob das Ordnung und gute Sitte
ſei? Er habe nicht Luſt, der gnädigen Frau, wenn
ſie zurück komme (vielleicht heute ſchon), einen aus
Rand und Band gegangenen Hausſtand zu über¬
liefern. Und der Burſche? „Nun, ich will nichts
wiſſen, nichts hören, am wenigſten Entſchuldigungen.“
Und als dies heraus war, ging er weiter und
lächelte, zumeiſt über ſich ſelbſt. „Wie leicht iſt
doch predigen und wie ſchwer iſt danach handeln
und thun. Armer Kanzelheld ich! Bin ich nicht
ſelbſt aus Rand und Band? Bin ich nicht ſelber
aus Ordnung und guter Sitte? Daß es war, das
möchte gehn, aber daß es noch iſt, das iſt das
Schlimme.“
Dabei nahm er wieder ſeinen Platz auf dem
Balkon und klingelte. Jetzt kam auch der Burſche,
faſt noch ängſtlicher und verlegener als die Mädchen,
aber es hatte keine Noth mehr, das Wetter war
vorüber. „Sage der Köchin, daß ich etwas eſſen
will. Nun, warum ſtehſt Du noch? Ah, ich ſehe
ſchon (und er lachte), nichts im Hauſe. Trifft ſich
alles vorzüglich . . . — Alſo Thee; bringe mir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/261>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.