Bilder musterte. "Fräulein Rosella das Wunder¬ mädchen, lebend zu sehen; Grabkreuze zu billigsten Preisen; amerikanische Schnellphotographie; russisches Ballwerfen, sechs Wurf 10 Pfennig; schwedischer Punsch mit Waffeln; Figaros schönste Gelegenheit oder erster Frisir-Salon der Welt; Grabkreuze zu billigsten Preisen; Schweizer Schießhalle:
Schieße gut und schieße schnell, Schieß und triff wie Wilhelm Tell."
Und darunter Tell selbst mit Armbrust, Sohn und Apfel.
Endlich war man am Ende der langen Bretter¬ wand und an eben diesem Endpunkte machte der Weg eine scharfe Biegung auf die Hasenhaide zu, von deren Schießständen her man in der mittäg¬ lichen Stille das Knattern der Gewehre hörte. Sonst blieb alles auch in dieser Fortsetzung der Straße so ziemlich dasselbe: Blondin, nur in Trikot und Medaillen gekleidet, stand balanzirend auf dem Seil, überall von Feuerwerk umblitzt, während um und neben ihm allerlei kleinere Plakate sowohl Ballon- Auffahrten, wie Tanzvergnügungen ankündigten. Eins lautete: "Sizilianische Nacht. Um 2 Uhr Wiener Bonbonwalzer."
Botho, der diese Stelle wohl seit Jahr und Tag nicht passirt hatte, las alles mit ungeheucheltem Interesse, bis er nach Passirung der "Haide", deren
Bilder muſterte. „Fräulein Roſella das Wunder¬ mädchen, lebend zu ſehen; Grabkreuze zu billigſten Preiſen; amerikaniſche Schnellphotographie; ruſſiſches Ballwerfen, ſechs Wurf 10 Pfennig; ſchwediſcher Punſch mit Waffeln; Figaros ſchönſte Gelegenheit oder erſter Friſir-Salon der Welt; Grabkreuze zu billigſten Preiſen; Schweizer Schießhalle:
Schieße gut und ſchieße ſchnell, Schieß und triff wie Wilhelm Tell.“
Und darunter Tell ſelbſt mit Armbruſt, Sohn und Apfel.
Endlich war man am Ende der langen Bretter¬ wand und an eben dieſem Endpunkte machte der Weg eine ſcharfe Biegung auf die Haſenhaide zu, von deren Schießſtänden her man in der mittäg¬ lichen Stille das Knattern der Gewehre hörte. Sonſt blieb alles auch in dieſer Fortſetzung der Straße ſo ziemlich daſſelbe: Blondin, nur in Trikot und Medaillen gekleidet, ſtand balanzirend auf dem Seil, überall von Feuerwerk umblitzt, während um und neben ihm allerlei kleinere Plakate ſowohl Ballon- Auffahrten, wie Tanzvergnügungen ankündigten. Eins lautete: „Sizilianiſche Nacht. Um 2 Uhr Wiener Bonbonwalzer.“
Botho, der dieſe Stelle wohl ſeit Jahr und Tag nicht paſſirt hatte, las alles mit ungeheucheltem Intereſſe, bis er nach Paſſirung der „Haide“, deren
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Bilder muſterte. „Fräulein Roſella das Wunder¬
mädchen, lebend zu ſehen; Grabkreuze zu billigſten
Preiſen; amerikaniſche Schnellphotographie; ruſſiſches
Ballwerfen, ſechs Wurf 10 Pfennig; ſchwediſcher
Punſch mit Waffeln; Figaros ſchönſte Gelegenheit
oder erſter Friſir-Salon der Welt; Grabkreuze zu
billigſten Preiſen; Schweizer Schießhalle:
Schieße gut und ſchieße ſchnell,
Schieß und triff wie Wilhelm Tell.“
Und darunter Tell ſelbſt mit Armbruſt, Sohn
und Apfel.
Endlich war man am Ende der langen Bretter¬
wand und an eben dieſem Endpunkte machte der
Weg eine ſcharfe Biegung auf die Haſenhaide zu,
von deren Schießſtänden her man in der mittäg¬
lichen Stille das Knattern der Gewehre hörte. Sonſt
blieb alles auch in dieſer Fortſetzung der Straße
ſo ziemlich daſſelbe: Blondin, nur in Trikot und
Medaillen gekleidet, ſtand balanzirend auf dem Seil,
überall von Feuerwerk umblitzt, während um und
neben ihm allerlei kleinere Plakate ſowohl Ballon-
Auffahrten, wie Tanzvergnügungen ankündigten. Eins
lautete: „Sizilianiſche Nacht. Um 2 Uhr Wiener
Bonbonwalzer.“
Botho, der dieſe Stelle wohl ſeit Jahr und Tag
nicht paſſirt hatte, las alles mit ungeheucheltem
Intereſſe, bis er nach Paſſirung der „Haide“, deren
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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/248>, abgerufen am 16.07.2024.
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