Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

weiße Rosen seien. Weiße Kamelien stünden höher.
Botho seinerseits war zufrieden, enthielt sich aller
Ausstellungen und fragte nur, ob er zu dem frischen
Kranz auch einen Immortellenkranz haben könne?
Das Fräulein schien über das Altmodische, das
sich in dieser Frage kundgab, einigermaßen ver¬
wundert, bejahte jedoch und erschien gleich danach
mit einem Karton, in dem fünf, sechs Immortellen¬
kränze lagen, gelbe, rothe, weiße.

"Zu welcher Farbe rathen Sie mir?"

Das Fräulein lächelte: "Immortellenkränze sind
ganz außer Mode. Höchstens in Winterzeit . . .
Und dann immer nur ..."

"Es wird das Beste sein, ich entscheide mich
ohne Weiteres für diesen hier." Und damit schob
Botho den ihm zunächst liegenden gelben Kranz
über den Arm, ließ den von Immergrün mit den
weißen Rosen folgen und stieg rasch wieder in seine
Droschke. Beide Kränze waren ziemlich groß und
fielen auf dem rothen Plüschrücksitz, auf dem sie
lagen, hinreichend auf, um in Botho die Frage zu
wecken, ob er sie nicht lieber dem Kutscher hinüber
reichen solle? Rasch aber entschlug er sich dieser
Anwandlung wieder und sagte: "Wenn man der
alten Frau Nimptsch einen Kranz bringen will,
muß man sich auch zu dem Kranz bekennen. Und

weiße Roſen ſeien. Weiße Kamelien ſtünden höher.
Botho ſeinerſeits war zufrieden, enthielt ſich aller
Ausſtellungen und fragte nur, ob er zu dem friſchen
Kranz auch einen Immortellenkranz haben könne?
Das Fräulein ſchien über das Altmodiſche, das
ſich in dieſer Frage kundgab, einigermaßen ver¬
wundert, bejahte jedoch und erſchien gleich danach
mit einem Karton, in dem fünf, ſechs Immortellen¬
kränze lagen, gelbe, rothe, weiße.

„Zu welcher Farbe rathen Sie mir?“

Das Fräulein lächelte: „Immortellenkränze ſind
ganz außer Mode. Höchſtens in Winterzeit . . .
Und dann immer nur ...“

„Es wird das Beſte ſein, ich entſcheide mich
ohne Weiteres für dieſen hier.“ Und damit ſchob
Botho den ihm zunächſt liegenden gelben Kranz
über den Arm, ließ den von Immergrün mit den
weißen Roſen folgen und ſtieg raſch wieder in ſeine
Droſchke. Beide Kränze waren ziemlich groß und
fielen auf dem rothen Plüſchrückſitz, auf dem ſie
lagen, hinreichend auf, um in Botho die Frage zu
wecken, ob er ſie nicht lieber dem Kutſcher hinüber
reichen ſolle? Raſch aber entſchlug er ſich dieſer
Anwandlung wieder und ſagte: „Wenn man der
alten Frau Nimptſch einen Kranz bringen will,
muß man ſich auch zu dem Kranz bekennen. Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="236"/>
weiße Ro&#x017F;en &#x017F;eien. Weiße Kamelien &#x017F;tünden höher.<lb/>
Botho &#x017F;einer&#x017F;eits war zufrieden, enthielt &#x017F;ich aller<lb/>
Aus&#x017F;tellungen und fragte nur, ob er zu dem fri&#x017F;chen<lb/>
Kranz auch einen Immortellenkranz haben könne?<lb/>
Das Fräulein &#x017F;chien über das Altmodi&#x017F;che, das<lb/>
&#x017F;ich in die&#x017F;er Frage kundgab, einigermaßen ver¬<lb/>
wundert, bejahte jedoch und er&#x017F;chien gleich danach<lb/>
mit einem Karton, in dem fünf, &#x017F;echs Immortellen¬<lb/>
kränze lagen, gelbe, rothe, weiße.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zu welcher Farbe rathen Sie mir?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Fräulein lächelte: &#x201E;Immortellenkränze &#x017F;ind<lb/>
ganz außer Mode. Höch&#x017F;tens in Winterzeit . . .<lb/>
Und dann immer nur ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es wird das Be&#x017F;te &#x017F;ein, ich ent&#x017F;cheide mich<lb/>
ohne Weiteres für die&#x017F;en hier.&#x201C; Und damit &#x017F;chob<lb/>
Botho den ihm zunäch&#x017F;t liegenden gelben Kranz<lb/>
über den Arm, ließ den von Immergrün mit den<lb/>
weißen Ro&#x017F;en folgen und &#x017F;tieg ra&#x017F;ch wieder in &#x017F;eine<lb/>
Dro&#x017F;chke. Beide Kränze waren ziemlich groß und<lb/>
fielen auf dem rothen Plü&#x017F;chrück&#x017F;itz, auf dem &#x017F;ie<lb/>
lagen, hinreichend auf, um in Botho die Frage zu<lb/>
wecken, ob er &#x017F;ie nicht lieber dem Kut&#x017F;cher hinüber<lb/>
reichen &#x017F;olle? Ra&#x017F;ch aber ent&#x017F;chlug er &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
Anwandlung wieder und &#x017F;agte: &#x201E;Wenn man der<lb/>
alten Frau Nimpt&#x017F;ch einen Kranz bringen will,<lb/>
muß man &#x017F;ich auch zu dem Kranz bekennen. Und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0246] weiße Roſen ſeien. Weiße Kamelien ſtünden höher. Botho ſeinerſeits war zufrieden, enthielt ſich aller Ausſtellungen und fragte nur, ob er zu dem friſchen Kranz auch einen Immortellenkranz haben könne? Das Fräulein ſchien über das Altmodiſche, das ſich in dieſer Frage kundgab, einigermaßen ver¬ wundert, bejahte jedoch und erſchien gleich danach mit einem Karton, in dem fünf, ſechs Immortellen¬ kränze lagen, gelbe, rothe, weiße. „Zu welcher Farbe rathen Sie mir?“ Das Fräulein lächelte: „Immortellenkränze ſind ganz außer Mode. Höchſtens in Winterzeit . . . Und dann immer nur ...“ „Es wird das Beſte ſein, ich entſcheide mich ohne Weiteres für dieſen hier.“ Und damit ſchob Botho den ihm zunächſt liegenden gelben Kranz über den Arm, ließ den von Immergrün mit den weißen Roſen folgen und ſtieg raſch wieder in ſeine Droſchke. Beide Kränze waren ziemlich groß und fielen auf dem rothen Plüſchrückſitz, auf dem ſie lagen, hinreichend auf, um in Botho die Frage zu wecken, ob er ſie nicht lieber dem Kutſcher hinüber reichen ſolle? Raſch aber entſchlug er ſich dieſer Anwandlung wieder und ſagte: „Wenn man der alten Frau Nimptſch einen Kranz bringen will, muß man ſich auch zu dem Kranz bekennen. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/246
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/246>, abgerufen am 24.11.2024.