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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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sprochen hatte, ihr einen Immortellenkranz aufs
Grab zu legen. In der Unruhe, darin er sich be¬
a nd, war es ihm schon eine Freude, daß ihm das
Versprechen wieder einfiel und so beschloß er denn
die damalige Zusage sofort wahr zu machen. "Roll¬
krug und Mittag und pralle Sonne, -- die reine
Reise nach Mittelafrika. Aber die gute Alte soll
ihren Kranz haben."

Und gleich danach nahm er Degen und Mütze
und machte sich auf den Weg.

An der Ecke war ein Droschkenstand, freilich nur
ein kleiner, und so kam es, daß trotz der Inschrift¬
tafel: "Halteplatz für drei Droschken" immer nur
der Platz und höchst selten eine Droschke da war.
So war es auch heute wieder, was mit Rück¬
sicht auf die Mittagsstunde (wo die Droschken über¬
all, als ob die Erde sie verschlänge, zu verschwinden
pflegen) an diesem ohnehin nur auf ein Pflichttheil
gesetzten Halteplatz kaum überraschen konnte. Botho
ging also weiter, bis ihm, in Nähe der Van der
Heydt-Brücke, ein ziemlich klappriges Gefährt ent¬
gegen kam, hellgrün mit rothem Plüschsitz und einem
Schimmel davor. Der Schimmel schlich nur so hin
und Rienäcker konnte sich angesichts der "Tour",
die dem armen Thiere bevorstand, eines wehmüthigen
Lächelns nicht erwehren. Aber so weit er auch das
Auge schicken mochte, nichts Besseres war in Sicht

ſprochen hatte, ihr einen Immortellenkranz aufs
Grab zu legen. In der Unruhe, darin er ſich be¬
a nd, war es ihm ſchon eine Freude, daß ihm das
Verſprechen wieder einfiel und ſo beſchloß er denn
die damalige Zuſage ſofort wahr zu machen. „Roll¬
krug und Mittag und pralle Sonne, — die reine
Reiſe nach Mittelafrika. Aber die gute Alte ſoll
ihren Kranz haben.“

Und gleich danach nahm er Degen und Mütze
und machte ſich auf den Weg.

An der Ecke war ein Droſchkenſtand, freilich nur
ein kleiner, und ſo kam es, daß trotz der Inſchrift¬
tafel: „Halteplatz für drei Droſchken“ immer nur
der Platz und höchſt ſelten eine Droſchke da war.
So war es auch heute wieder, was mit Rück¬
ſicht auf die Mittagsſtunde (wo die Droſchken über¬
all, als ob die Erde ſie verſchlänge, zu verſchwinden
pflegen) an dieſem ohnehin nur auf ein Pflichttheil
geſetzten Halteplatz kaum überraſchen konnte. Botho
ging alſo weiter, bis ihm, in Nähe der Van der
Heydt-Brücke, ein ziemlich klappriges Gefährt ent¬
gegen kam, hellgrün mit rothem Plüſchſitz und einem
Schimmel davor. Der Schimmel ſchlich nur ſo hin
und Rienäcker konnte ſich angeſichts der „Tour“,
die dem armen Thiere bevorſtand, eines wehmüthigen
Lächelns nicht erwehren. Aber ſo weit er auch das
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[232/0242] ſprochen hatte, ihr einen Immortellenkranz aufs Grab zu legen. In der Unruhe, darin er ſich be¬ a nd, war es ihm ſchon eine Freude, daß ihm das Verſprechen wieder einfiel und ſo beſchloß er denn die damalige Zuſage ſofort wahr zu machen. „Roll¬ krug und Mittag und pralle Sonne, — die reine Reiſe nach Mittelafrika. Aber die gute Alte ſoll ihren Kranz haben.“ Und gleich danach nahm er Degen und Mütze und machte ſich auf den Weg. An der Ecke war ein Droſchkenſtand, freilich nur ein kleiner, und ſo kam es, daß trotz der Inſchrift¬ tafel: „Halteplatz für drei Droſchken“ immer nur der Platz und höchſt ſelten eine Droſchke da war. So war es auch heute wieder, was mit Rück¬ ſicht auf die Mittagsſtunde (wo die Droſchken über¬ all, als ob die Erde ſie verſchlänge, zu verſchwinden pflegen) an dieſem ohnehin nur auf ein Pflichttheil geſetzten Halteplatz kaum überraſchen konnte. Botho ging alſo weiter, bis ihm, in Nähe der Van der Heydt-Brücke, ein ziemlich klappriges Gefährt ent¬ gegen kam, hellgrün mit rothem Plüſchſitz und einem Schimmel davor. Der Schimmel ſchlich nur ſo hin und Rienäcker konnte ſich angeſichts der „Tour“, die dem armen Thiere bevorſtand, eines wehmüthigen Lächelns nicht erwehren. Aber ſo weit er auch das Auge ſchicken mochte, nichts Beſſeres war in Sicht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/242>, abgerufen am 24.11.2024.