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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit
allem Vorbedacht auf Ihr Alleinsein gewartet, oder
wenn ich so sagen darf, auf Ihre Strohwittwertage."

Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der,
der da sprach, trotz seines spießbürgerlichen Aufzuges
ein Mann von Freimuth und untadeliger Gesinnung
sei. Das half ihm rasch aus seiner Verwirrung
heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich
wieder gewonnen, als er über den Tisch hin fragte:
"Sie sind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung,
Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei
diesem alten mir so lieben Namen nenne."

Franke verbeugte sich und erwiderte: "Nein,
Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht diese
Legitimation. Aber meine Legitimation ist vielleicht
keine schlechtere: ich kenne die Lene seit Jahr und
Tag und habe die Absicht, sie zu heirathen. Sie
hat auch zugesagt, aber mir bei der Gelegenheit
auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit so
großer Liebe von Ihnen gesprochen, daß es mir auf
der Stelle feststand, Sie selbst, Herr Baron, offen
und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der
Lene eigentlich sei. Worin Lene selbst, als ich ihr
von meiner Absicht erzählte, mich mit sichtlicher
Freude bestärkte, freilich gleich hinzusetzend: ich solle
es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von
ihr sprechen."

gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit
allem Vorbedacht auf Ihr Alleinſein gewartet, oder
wenn ich ſo ſagen darf, auf Ihre Strohwittwertage.“

Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der,
der da ſprach, trotz ſeines ſpießbürgerlichen Aufzuges
ein Mann von Freimuth und untadeliger Geſinnung
ſei. Das half ihm raſch aus ſeiner Verwirrung
heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich
wieder gewonnen, als er über den Tiſch hin fragte:
„Sie ſind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung,
Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei
dieſem alten mir ſo lieben Namen nenne.“

Franke verbeugte ſich und erwiderte: „Nein,
Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht dieſe
Legitimation. Aber meine Legitimation iſt vielleicht
keine ſchlechtere: ich kenne die Lene ſeit Jahr und
Tag und habe die Abſicht, ſie zu heirathen. Sie
hat auch zugeſagt, aber mir bei der Gelegenheit
auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit ſo
großer Liebe von Ihnen geſprochen, daß es mir auf
der Stelle feſtſtand, Sie ſelbſt, Herr Baron, offen
und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der
Lene eigentlich ſei. Worin Lene ſelbſt, als ich ihr
von meiner Abſicht erzählte, mich mit ſichtlicher
Freude beſtärkte, freilich gleich hinzuſetzend: ich ſolle
es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von
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[223/0233] gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit allem Vorbedacht auf Ihr Alleinſein gewartet, oder wenn ich ſo ſagen darf, auf Ihre Strohwittwertage.“ Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der, der da ſprach, trotz ſeines ſpießbürgerlichen Aufzuges ein Mann von Freimuth und untadeliger Geſinnung ſei. Das half ihm raſch aus ſeiner Verwirrung heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich wieder gewonnen, als er über den Tiſch hin fragte: „Sie ſind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung, Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei dieſem alten mir ſo lieben Namen nenne.“ Franke verbeugte ſich und erwiderte: „Nein, Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht dieſe Legitimation. Aber meine Legitimation iſt vielleicht keine ſchlechtere: ich kenne die Lene ſeit Jahr und Tag und habe die Abſicht, ſie zu heirathen. Sie hat auch zugeſagt, aber mir bei der Gelegenheit auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit ſo großer Liebe von Ihnen geſprochen, daß es mir auf der Stelle feſtſtand, Sie ſelbſt, Herr Baron, offen und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der Lene eigentlich ſei. Worin Lene ſelbſt, als ich ihr von meiner Abſicht erzählte, mich mit ſichtlicher Freude beſtärkte, freilich gleich hinzuſetzend: ich ſolle es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von ihr ſprechen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/233>, abgerufen am 24.11.2024.