gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit allem Vorbedacht auf Ihr Alleinsein gewartet, oder wenn ich so sagen darf, auf Ihre Strohwittwertage."
Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der, der da sprach, trotz seines spießbürgerlichen Aufzuges ein Mann von Freimuth und untadeliger Gesinnung sei. Das half ihm rasch aus seiner Verwirrung heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich wieder gewonnen, als er über den Tisch hin fragte: "Sie sind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung, Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei diesem alten mir so lieben Namen nenne."
Franke verbeugte sich und erwiderte: "Nein, Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht diese Legitimation. Aber meine Legitimation ist vielleicht keine schlechtere: ich kenne die Lene seit Jahr und Tag und habe die Absicht, sie zu heirathen. Sie hat auch zugesagt, aber mir bei der Gelegenheit auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit so großer Liebe von Ihnen gesprochen, daß es mir auf der Stelle feststand, Sie selbst, Herr Baron, offen und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der Lene eigentlich sei. Worin Lene selbst, als ich ihr von meiner Absicht erzählte, mich mit sichtlicher Freude bestärkte, freilich gleich hinzusetzend: ich solle es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von ihr sprechen."
gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit allem Vorbedacht auf Ihr Alleinſein gewartet, oder wenn ich ſo ſagen darf, auf Ihre Strohwittwertage.“
Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der, der da ſprach, trotz ſeines ſpießbürgerlichen Aufzuges ein Mann von Freimuth und untadeliger Geſinnung ſei. Das half ihm raſch aus ſeiner Verwirrung heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich wieder gewonnen, als er über den Tiſch hin fragte: „Sie ſind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung, Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei dieſem alten mir ſo lieben Namen nenne.“
Franke verbeugte ſich und erwiderte: „Nein, Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht dieſe Legitimation. Aber meine Legitimation iſt vielleicht keine ſchlechtere: ich kenne die Lene ſeit Jahr und Tag und habe die Abſicht, ſie zu heirathen. Sie hat auch zugeſagt, aber mir bei der Gelegenheit auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit ſo großer Liebe von Ihnen geſprochen, daß es mir auf der Stelle feſtſtand, Sie ſelbſt, Herr Baron, offen und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der Lene eigentlich ſei. Worin Lene ſelbſt, als ich ihr von meiner Abſicht erzählte, mich mit ſichtlicher Freude beſtärkte, freilich gleich hinzuſetzend: ich ſolle es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von ihr ſprechen.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0233"n="223"/>
gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit<lb/>
allem Vorbedacht auf Ihr Alleinſein gewartet, oder<lb/>
wenn ich ſo ſagen darf, auf Ihre Strohwittwertage.“</p><lb/><p>Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der,<lb/>
der da ſprach, trotz ſeines ſpießbürgerlichen Aufzuges<lb/>
ein Mann von Freimuth und untadeliger Geſinnung<lb/>ſei. Das half ihm raſch aus ſeiner Verwirrung<lb/>
heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich<lb/>
wieder gewonnen, als er über den Tiſch hin fragte:<lb/>„Sie ſind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung,<lb/>
Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei<lb/>
dieſem alten mir ſo lieben Namen nenne.“</p><lb/><p>Franke verbeugte ſich und erwiderte: „Nein,<lb/>
Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht dieſe<lb/>
Legitimation. Aber meine Legitimation iſt vielleicht<lb/>
keine ſchlechtere: ich kenne die Lene ſeit Jahr und<lb/>
Tag und habe die Abſicht, ſie zu heirathen. Sie<lb/>
hat auch zugeſagt, aber mir bei der Gelegenheit<lb/>
auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit ſo<lb/>
großer Liebe von Ihnen geſprochen, daß es mir auf<lb/>
der Stelle feſtſtand, Sie ſelbſt, Herr Baron, offen<lb/>
und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der<lb/>
Lene eigentlich ſei. Worin Lene ſelbſt, als ich ihr<lb/>
von meiner Abſicht erzählte, mich mit ſichtlicher<lb/>
Freude beſtärkte, freilich gleich hinzuſetzend: ich ſolle<lb/>
es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von<lb/>
ihr ſprechen.“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[223/0233]
gnädigen Frau, der Frau Baronin, und habe mit
allem Vorbedacht auf Ihr Alleinſein gewartet, oder
wenn ich ſo ſagen darf, auf Ihre Strohwittwertage.“
Botho hörte mit feinem Ohre heraus, daß der,
der da ſprach, trotz ſeines ſpießbürgerlichen Aufzuges
ein Mann von Freimuth und untadeliger Geſinnung
ſei. Das half ihm raſch aus ſeiner Verwirrung
heraus und er hatte Haltung und Ruhe ziemlich
wieder gewonnen, als er über den Tiſch hin fragte:
„Sie ſind ein Anverwandter Lenens? Verzeihung,
Herr Franke, daß ich meine alte Freundin bei
dieſem alten mir ſo lieben Namen nenne.“
Franke verbeugte ſich und erwiderte: „Nein,
Herr Baron, kein Verwandter; ich habe nicht dieſe
Legitimation. Aber meine Legitimation iſt vielleicht
keine ſchlechtere: ich kenne die Lene ſeit Jahr und
Tag und habe die Abſicht, ſie zu heirathen. Sie
hat auch zugeſagt, aber mir bei der Gelegenheit
auch von ihrem Vorleben erzählt und dabei mit ſo
großer Liebe von Ihnen geſprochen, daß es mir auf
der Stelle feſtſtand, Sie ſelbſt, Herr Baron, offen
und unumwunden fragen zu wollen, was es mit der
Lene eigentlich ſei. Worin Lene ſelbſt, als ich ihr
von meiner Abſicht erzählte, mich mit ſichtlicher
Freude beſtärkte, freilich gleich hinzuſetzend: ich ſolle
es lieber nicht thun, denn Sie würden zu gut von
ihr ſprechen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/233>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.