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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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um so weniger, als eigentlich keine Herren hier sind.
Auch seh' ich jetzt, daß sie Farbe auflegt und na¬
mentlich die Augenbrauen malt und vielleicht auch
die Lippen, denn sie sind kirschroth. Das Kind
aber ist sehr natürlich. Immer wenn sie mich sieht,
stürzt sie mit Vehemenz auf mich zu und küßt mir
die Hand und entschuldigt sich zum hundertsten
Male wegen der Drops, "aber die Mama sei
Schuld", worin ich dem Kinde nur zustimmen kann.
Und doch muß andererseits ein geheimnißvoll
naschiger Zug in Sarah's Natur liegen, ich möchte
beinahe sagen, etwas wie Erbsünde (glaubst Du
daran? ich glaube daran, mein lieber Botho), denn
sie kann von den Süßigkeiten nicht lassen und kauft
sich in einem fort Oblaten, nicht Berliner, die wie
Schaumkringel schmecken, sondern Karlsbader mit
eingestreutem Zucker. Aber nichts mehr schriftlich
davon. Wenn ich Dich wiedersehe, was sehr bald
sein kann -- denn ich möchte gern mit Anna
Grävenitz zusammen reisen, man ist doch so mehr
unter sich -- sprechen wir darüber und über vieles
andere noch. Ach, wie freu' ich mich, Dich wieder¬
sehn und mit Dir auf dem Balkon sitzen zu können.
Es ist doch am schönsten in Berlin, und wenn
dann die Sonne so hinter Charlottenburg und dem
Grunewald steht, und man so träumt und so müde
wird, o, wie herrlich ist das! Nicht wahr! Und

um ſo weniger, als eigentlich keine Herren hier ſind.
Auch ſeh' ich jetzt, daß ſie Farbe auflegt und na¬
mentlich die Augenbrauen malt und vielleicht auch
die Lippen, denn ſie ſind kirſchroth. Das Kind
aber iſt ſehr natürlich. Immer wenn ſie mich ſieht,
ſtürzt ſie mit Vehemenz auf mich zu und küßt mir
die Hand und entſchuldigt ſich zum hundertſten
Male wegen der Drops, „aber die Mama ſei
Schuld“, worin ich dem Kinde nur zuſtimmen kann.
Und doch muß andererſeits ein geheimnißvoll
naſchiger Zug in Sarah's Natur liegen, ich möchte
beinahe ſagen, etwas wie Erbſünde (glaubſt Du
daran? ich glaube daran, mein lieber Botho), denn
ſie kann von den Süßigkeiten nicht laſſen und kauft
ſich in einem fort Oblaten, nicht Berliner, die wie
Schaumkringel ſchmecken, ſondern Karlsbader mit
eingeſtreutem Zucker. Aber nichts mehr ſchriftlich
davon. Wenn ich Dich wiederſehe, was ſehr bald
ſein kann — denn ich möchte gern mit Anna
Grävenitz zuſammen reiſen, man iſt doch ſo mehr
unter ſich — ſprechen wir darüber und über vieles
andere noch. Ach, wie freu' ich mich, Dich wieder¬
ſehn und mit Dir auf dem Balkon ſitzen zu können.
Es iſt doch am ſchönſten in Berlin, und wenn
dann die Sonne ſo hinter Charlottenburg und dem
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[220/0230] um ſo weniger, als eigentlich keine Herren hier ſind. Auch ſeh' ich jetzt, daß ſie Farbe auflegt und na¬ mentlich die Augenbrauen malt und vielleicht auch die Lippen, denn ſie ſind kirſchroth. Das Kind aber iſt ſehr natürlich. Immer wenn ſie mich ſieht, ſtürzt ſie mit Vehemenz auf mich zu und küßt mir die Hand und entſchuldigt ſich zum hundertſten Male wegen der Drops, „aber die Mama ſei Schuld“, worin ich dem Kinde nur zuſtimmen kann. Und doch muß andererſeits ein geheimnißvoll naſchiger Zug in Sarah's Natur liegen, ich möchte beinahe ſagen, etwas wie Erbſünde (glaubſt Du daran? ich glaube daran, mein lieber Botho), denn ſie kann von den Süßigkeiten nicht laſſen und kauft ſich in einem fort Oblaten, nicht Berliner, die wie Schaumkringel ſchmecken, ſondern Karlsbader mit eingeſtreutem Zucker. Aber nichts mehr ſchriftlich davon. Wenn ich Dich wiederſehe, was ſehr bald ſein kann — denn ich möchte gern mit Anna Grävenitz zuſammen reiſen, man iſt doch ſo mehr unter ſich — ſprechen wir darüber und über vieles andere noch. Ach, wie freu' ich mich, Dich wieder¬ ſehn und mit Dir auf dem Balkon ſitzen zu können. Es iſt doch am ſchönſten in Berlin, und wenn dann die Sonne ſo hinter Charlottenburg und dem Grunewald ſteht, und man ſo träumt und ſo müde wird, o, wie herrlich iſt das! Nicht wahr! Und

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/230>, abgerufen am 24.11.2024.