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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Lene saß neben ihr, ihre Hand haltend, und als
sie sah, daß der Blick der Alten immer in derselben
Richtung ging, sagte sie: "Soll ich ein Feuer machen,
Mutter? Ich dachte, weil Du liegst und die Bett¬
wärme hast und weil es so heiß ist. . ."

Die Alte sagte nichts, aber es kam Lenen doch
so vor, als ob sie's wohl gern hätte. So ging sie
denn hin und bückte sich und machte ein Feuer.

Als sie wieder an's Bett kam, lächelte die Alte
zufrieden und sagte: "Ja, Lene, heiß ist es. Aber
Du weißt ja, ich muß es immer sehn. Und wenn
ich es nicht sehe, dann denk' ich, es ist alles aus
und kein Leben und kein Funke mehr. Und man
hat doch so seine Angst hier . . ."

Und dabei wies sie nach Brust und Herz.

"Ach, Mutter, Du denkst immer gleich an Sterben.
Und ist doch so oft schon vorüber gegangen."

"Ja, Kind, oft is es vorüber gegangen, aber
mal kommt es und mit 70 da kann es jeden Tag
kommen. Weißt Du, mache das andere Fenster auch
noch auf, dann is mehr Luft hier und das Feuer
brennt besser. Sieh doch blos, es will nicht mehr
recht, es raucht so . . ."

"Das macht die Sonne, die grade drauf steht..."

"Und dann gieb mir von den grünen Tropfen,
die mir die Dörr gebracht hat. Ein bischen hilft
es doch immer."

Lene ſaß neben ihr, ihre Hand haltend, und als
ſie ſah, daß der Blick der Alten immer in derſelben
Richtung ging, ſagte ſie: „Soll ich ein Feuer machen,
Mutter? Ich dachte, weil Du liegſt und die Bett¬
wärme haſt und weil es ſo heiß iſt. . .“

Die Alte ſagte nichts, aber es kam Lenen doch
ſo vor, als ob ſie's wohl gern hätte. So ging ſie
denn hin und bückte ſich und machte ein Feuer.

Als ſie wieder an's Bett kam, lächelte die Alte
zufrieden und ſagte: „Ja, Lene, heiß iſt es. Aber
Du weißt ja, ich muß es immer ſehn. Und wenn
ich es nicht ſehe, dann denk' ich, es iſt alles aus
und kein Leben und kein Funke mehr. Und man
hat doch ſo ſeine Angſt hier . . .“

Und dabei wies ſie nach Bruſt und Herz.

„Ach, Mutter, Du denkſt immer gleich an Sterben.
Und iſt doch ſo oft ſchon vorüber gegangen.“

„Ja, Kind, oft is es vorüber gegangen, aber
mal kommt es und mit 70 da kann es jeden Tag
kommen. Weißt Du, mache das andere Fenſter auch
noch auf, dann is mehr Luft hier und das Feuer
brennt beſſer. Sieh doch blos, es will nicht mehr
recht, es raucht ſo . . .“

„Das macht die Sonne, die grade drauf ſteht...“

„Und dann gieb mir von den grünen Tropfen,
die mir die Dörr gebracht hat. Ein bischen hilft
es doch immer.“

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[207/0217] Lene ſaß neben ihr, ihre Hand haltend, und als ſie ſah, daß der Blick der Alten immer in derſelben Richtung ging, ſagte ſie: „Soll ich ein Feuer machen, Mutter? Ich dachte, weil Du liegſt und die Bett¬ wärme haſt und weil es ſo heiß iſt. . .“ Die Alte ſagte nichts, aber es kam Lenen doch ſo vor, als ob ſie's wohl gern hätte. So ging ſie denn hin und bückte ſich und machte ein Feuer. Als ſie wieder an's Bett kam, lächelte die Alte zufrieden und ſagte: „Ja, Lene, heiß iſt es. Aber Du weißt ja, ich muß es immer ſehn. Und wenn ich es nicht ſehe, dann denk' ich, es iſt alles aus und kein Leben und kein Funke mehr. Und man hat doch ſo ſeine Angſt hier . . .“ Und dabei wies ſie nach Bruſt und Herz. „Ach, Mutter, Du denkſt immer gleich an Sterben. Und iſt doch ſo oft ſchon vorüber gegangen.“ „Ja, Kind, oft is es vorüber gegangen, aber mal kommt es und mit 70 da kann es jeden Tag kommen. Weißt Du, mache das andere Fenſter auch noch auf, dann is mehr Luft hier und das Feuer brennt beſſer. Sieh doch blos, es will nicht mehr recht, es raucht ſo . . .“ „Das macht die Sonne, die grade drauf ſteht...“ „Und dann gieb mir von den grünen Tropfen, die mir die Dörr gebracht hat. Ein bischen hilft es doch immer.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/217>, abgerufen am 24.11.2024.