dem Zimmer ging. Das hatte sich die Dörr, als es mal auf mal wiederkehrte, gemerkt und so schwieg sie denn über Dinge, von denen man ganz ersichtlich weder reden noch hören wollte. So ging es ein Jahr lang und als das Jahr um war, war noch ein anderer Grund da, der es nicht räthlich erscheinen ließ, auf die alten Geschichten zurück zu kommen. Nebenan nämlich war, Wand an Wand mit der Nimptsch, ein Miether eingezogen, der, von Anfang an auf gute Nachbarschaft haltend, bald noch mehr als ein guter Nachbar zu werden versprach. Er kam jeden Abend und plauderte, so daß es mitunter an die Zeiten erinnerte, wo Dörr auf seinem Schemel gesessen und seine Pfeife geraucht hatte, nur daß der neue Nachbar in vielen Stücken doch anders war: ein ordentlicher und gebildeter Mann, von nicht gerade feinen, aber sehr anständigen Manieren, dabei guter Unterhalter, der, wenn Lene mit zu¬ gegen war, von allerlei städtischen Angelegenheiten, von Schulen, Gasanstalten und Kanalisation und mitunter auch von seinen Reisen zu sprechen wußte. Traf es sich, daß er mit der Alten allein war, so verdroß ihn auch das nicht, und er spielte dann Tod und Leben mit ihr oder Dambrett oder half ihr auch wohl eine Patience legen, trotzdem er eigentlich alle Karten verabscheute. Denn er war ein Konventikler und hatte, nachdem er erst bei den Menoniten und dann
dem Zimmer ging. Das hatte ſich die Dörr, als es mal auf mal wiederkehrte, gemerkt und ſo ſchwieg ſie denn über Dinge, von denen man ganz erſichtlich weder reden noch hören wollte. So ging es ein Jahr lang und als das Jahr um war, war noch ein anderer Grund da, der es nicht räthlich erſcheinen ließ, auf die alten Geſchichten zurück zu kommen. Nebenan nämlich war, Wand an Wand mit der Nimptſch, ein Miether eingezogen, der, von Anfang an auf gute Nachbarſchaft haltend, bald noch mehr als ein guter Nachbar zu werden verſprach. Er kam jeden Abend und plauderte, ſo daß es mitunter an die Zeiten erinnerte, wo Dörr auf ſeinem Schemel geſeſſen und ſeine Pfeife geraucht hatte, nur daß der neue Nachbar in vielen Stücken doch anders war: ein ordentlicher und gebildeter Mann, von nicht gerade feinen, aber ſehr anſtändigen Manieren, dabei guter Unterhalter, der, wenn Lene mit zu¬ gegen war, von allerlei ſtädtiſchen Angelegenheiten, von Schulen, Gasanſtalten und Kanaliſation und mitunter auch von ſeinen Reiſen zu ſprechen wußte. Traf es ſich, daß er mit der Alten allein war, ſo verdroß ihn auch das nicht, und er ſpielte dann Tod und Leben mit ihr oder Dambrett oder half ihr auch wohl eine Patience legen, trotzdem er eigentlich alle Karten verabſcheute. Denn er war ein Konventikler und hatte, nachdem er erſt bei den Menoniten und dann
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[191/0201]
dem Zimmer ging. Das hatte ſich die Dörr, als
es mal auf mal wiederkehrte, gemerkt und ſo ſchwieg
ſie denn über Dinge, von denen man ganz erſichtlich
weder reden noch hören wollte. So ging es ein
Jahr lang und als das Jahr um war, war noch
ein anderer Grund da, der es nicht räthlich erſcheinen
ließ, auf die alten Geſchichten zurück zu kommen.
Nebenan nämlich war, Wand an Wand mit der
Nimptſch, ein Miether eingezogen, der, von Anfang
an auf gute Nachbarſchaft haltend, bald noch mehr
als ein guter Nachbar zu werden verſprach. Er
kam jeden Abend und plauderte, ſo daß es mitunter
an die Zeiten erinnerte, wo Dörr auf ſeinem Schemel
geſeſſen und ſeine Pfeife geraucht hatte, nur daß
der neue Nachbar in vielen Stücken doch anders
war: ein ordentlicher und gebildeter Mann, von
nicht gerade feinen, aber ſehr anſtändigen Manieren,
dabei guter Unterhalter, der, wenn Lene mit zu¬
gegen war, von allerlei ſtädtiſchen Angelegenheiten,
von Schulen, Gasanſtalten und Kanaliſation und
mitunter auch von ſeinen Reiſen zu ſprechen wußte.
Traf es ſich, daß er mit der Alten allein war, ſo
verdroß ihn auch das nicht, und er ſpielte dann Tod
und Leben mit ihr oder Dambrett oder half ihr auch
wohl eine Patience legen, trotzdem er eigentlich alle
Karten verabſcheute. Denn er war ein Konventikler und
hatte, nachdem er erſt bei den Menoniten und dann
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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/201>, abgerufen am 24.11.2024.
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