Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

raschend gut benommen und nach erfolgtem feier¬
lichen Abschiede war Frau Nimptsch in eine Droschke
gepackt und mit ihrem Eichkätzchen und Stieglitz bis
an das Luisen-Ufer gefahren worden, wo Lene, drei
Treppen hoch, eine kleine Prachtwohnung gemiethet
und nicht nur ein paar neue Möbeln angeschafft,
sondern, in Erinnerung an ihr Versprechen, vor allem
auch für einen an den großen Vorderzimmer-Ofen
angebauten Kamin gesorgt hatte. Seitens des
Wirths waren anfänglich allerlei Schwierigkeiten
gemacht worden, "weil solch Vorbau den Ofen
ruinire." Lene hatte jedoch unter Angabe der
Gründe darauf bestanden, was dem Wirth, einem
alten braven Tischlermeister, dem so was gefiel, einen
großen Eindruck gemacht und ihn zum Nachgeben
bestimmt hatte.

Beide wohnten nun ziemlich ebenso, wie sie vor¬
dem im Dörr'schen Gartenhause gewohnt hatten, nur
mit dem Unterschiede, daß sie jetzt 3 Treppen hoch
saßen und statt auf die phantastischen Thürme des
Elephantenhauses auf die hübsche Kuppel der Michaels¬
kirche sahen. Ja, der Blick, dessen sie sich erfreuten,
war entzückend und so schön und frei, daß er selbst
auf die Lebensgewohnheiten der alten Nimptsch einen
Einfluß gewann und sie bestimmte, nicht mehr blos
auf der Fußbank am Feuer, sondern, wenn die
Sonne schien, auch am offenen Fenster zu sitzen,

raſchend gut benommen und nach erfolgtem feier¬
lichen Abſchiede war Frau Nimptſch in eine Droſchke
gepackt und mit ihrem Eichkätzchen und Stieglitz bis
an das Luiſen-Ufer gefahren worden, wo Lene, drei
Treppen hoch, eine kleine Prachtwohnung gemiethet
und nicht nur ein paar neue Möbeln angeſchafft,
ſondern, in Erinnerung an ihr Verſprechen, vor allem
auch für einen an den großen Vorderzimmer-Ofen
angebauten Kamin geſorgt hatte. Seitens des
Wirths waren anfänglich allerlei Schwierigkeiten
gemacht worden, „weil ſolch Vorbau den Ofen
ruinire.“ Lene hatte jedoch unter Angabe der
Gründe darauf beſtanden, was dem Wirth, einem
alten braven Tiſchlermeiſter, dem ſo was gefiel, einen
großen Eindruck gemacht und ihn zum Nachgeben
beſtimmt hatte.

Beide wohnten nun ziemlich ebenſo, wie ſie vor¬
dem im Dörr'ſchen Gartenhauſe gewohnt hatten, nur
mit dem Unterſchiede, daß ſie jetzt 3 Treppen hoch
ſaßen und ſtatt auf die phantaſtiſchen Thürme des
Elephantenhauſes auf die hübſche Kuppel der Michaels¬
kirche ſahen. Ja, der Blick, deſſen ſie ſich erfreuten,
war entzückend und ſo ſchön und frei, daß er ſelbſt
auf die Lebensgewohnheiten der alten Nimptſch einen
Einfluß gewann und ſie beſtimmte, nicht mehr blos
auf der Fußbank am Feuer, ſondern, wenn die
Sonne ſchien, auch am offenen Fenſter zu ſitzen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="188"/>
ra&#x017F;chend gut benommen und nach erfolgtem feier¬<lb/>
lichen Ab&#x017F;chiede war Frau Nimpt&#x017F;ch in eine Dro&#x017F;chke<lb/>
gepackt und mit ihrem Eichkätzchen und Stieglitz bis<lb/>
an das Lui&#x017F;en-Ufer gefahren worden, wo Lene, drei<lb/>
Treppen hoch, eine kleine Prachtwohnung gemiethet<lb/>
und nicht nur ein paar neue Möbeln ange&#x017F;chafft,<lb/>
&#x017F;ondern, in Erinnerung an ihr Ver&#x017F;prechen, vor allem<lb/>
auch für einen an den großen Vorderzimmer-Ofen<lb/>
angebauten Kamin ge&#x017F;orgt hatte. Seitens des<lb/>
Wirths waren anfänglich allerlei Schwierigkeiten<lb/>
gemacht worden, &#x201E;weil &#x017F;olch Vorbau den Ofen<lb/>
ruinire.&#x201C; Lene hatte jedoch unter Angabe der<lb/>
Gründe darauf be&#x017F;tanden, was dem Wirth, einem<lb/>
alten braven Ti&#x017F;chlermei&#x017F;ter, dem &#x017F;o was gefiel, einen<lb/>
großen Eindruck gemacht und ihn zum Nachgeben<lb/>
be&#x017F;timmt hatte.</p><lb/>
        <p>Beide wohnten nun ziemlich eben&#x017F;o, wie &#x017F;ie vor¬<lb/>
dem im Dörr'&#x017F;chen Gartenhau&#x017F;e gewohnt hatten, nur<lb/>
mit dem Unter&#x017F;chiede, daß &#x017F;ie jetzt 3 Treppen hoch<lb/>
&#x017F;aßen und &#x017F;tatt auf die phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Thürme des<lb/>
Elephantenhau&#x017F;es auf die hüb&#x017F;che Kuppel der Michaels¬<lb/>
kirche &#x017F;ahen. Ja, der Blick, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich erfreuten,<lb/>
war entzückend und &#x017F;o &#x017F;chön und frei, daß er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
auf die Lebensgewohnheiten der alten Nimpt&#x017F;ch einen<lb/>
Einfluß gewann und &#x017F;ie be&#x017F;timmte, nicht mehr blos<lb/>
auf der Fußbank am Feuer, &#x017F;ondern, wenn die<lb/>
Sonne &#x017F;chien, auch am offenen Fen&#x017F;ter zu &#x017F;itzen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0198] raſchend gut benommen und nach erfolgtem feier¬ lichen Abſchiede war Frau Nimptſch in eine Droſchke gepackt und mit ihrem Eichkätzchen und Stieglitz bis an das Luiſen-Ufer gefahren worden, wo Lene, drei Treppen hoch, eine kleine Prachtwohnung gemiethet und nicht nur ein paar neue Möbeln angeſchafft, ſondern, in Erinnerung an ihr Verſprechen, vor allem auch für einen an den großen Vorderzimmer-Ofen angebauten Kamin geſorgt hatte. Seitens des Wirths waren anfänglich allerlei Schwierigkeiten gemacht worden, „weil ſolch Vorbau den Ofen ruinire.“ Lene hatte jedoch unter Angabe der Gründe darauf beſtanden, was dem Wirth, einem alten braven Tiſchlermeiſter, dem ſo was gefiel, einen großen Eindruck gemacht und ihn zum Nachgeben beſtimmt hatte. Beide wohnten nun ziemlich ebenſo, wie ſie vor¬ dem im Dörr'ſchen Gartenhauſe gewohnt hatten, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie jetzt 3 Treppen hoch ſaßen und ſtatt auf die phantaſtiſchen Thürme des Elephantenhauſes auf die hübſche Kuppel der Michaels¬ kirche ſahen. Ja, der Blick, deſſen ſie ſich erfreuten, war entzückend und ſo ſchön und frei, daß er ſelbſt auf die Lebensgewohnheiten der alten Nimptſch einen Einfluß gewann und ſie beſtimmte, nicht mehr blos auf der Fußbank am Feuer, ſondern, wenn die Sonne ſchien, auch am offenen Fenſter zu ſitzen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/198
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/198>, abgerufen am 27.11.2024.