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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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terien. Alles, was ich wollte, war ein verschwiegenes
Glück, ein Glück, für das ich früher oder später, um
des ihr ersparten Affronts willen, die stille Gut¬
heißung der Gesellschaft erwartete. So war mein
Traum, so gingen meine Hoffnungen und Gedanken.
Und nun soll ich heraus aus diesem Glück und soll
ein andres eintauschen, das mir keins ist. Ich hab'
eine Gleichgiltigkeit gegen den Salon und einen
Widerwillen gegen alles Unwahre, Geschraubte,
Zurechtgemachte. Chic, Tournüre, savoir-faire, --
mir alles ebenso häßliche wie fremde Wörter."

Hier bog das Pferd, das er schon seit einer
Viertelstunde kaum noch im Zügel hatte, wie von
selbst in einen Seitenweg ein, der zunächst auf ein
Stück Ackerland und gleich dahinter auf einen von
Unterholz und ein paar Eichen eingefaßten Grasplatz
führte. Hier, im Schatten eines der älteren Bäume,
stand ein kurzes, gedrungenes Steinkreuz und als
er näher heranritt, um zu sehen, was es mit diesem
Kreuz eigentlich sei, las er: "Ludwig v. Hinckel¬
dey
, gest. 10. März 1856." Wie das ihn traf!
Er wußte, daß das Kreuz hier herumstehe, war aber
nie bis an diese Stelle gekommen und sah es nun
als ein Zeichen an, daß das seinem eigenen Willen
überlassene Pferd, ihn gerade hierher geführt hatte.

Hinckeldey! Das war nun an die zwanzig Jahr,
daß der damals Allmächtige zu Tode kam und alles

terien. Alles, was ich wollte, war ein verſchwiegenes
Glück, ein Glück, für das ich früher oder ſpäter, um
des ihr erſparten Affronts willen, die ſtille Gut¬
heißung der Geſellſchaft erwartete. So war mein
Traum, ſo gingen meine Hoffnungen und Gedanken.
Und nun ſoll ich heraus aus dieſem Glück und ſoll
ein andres eintauſchen, das mir keins iſt. Ich hab'
eine Gleichgiltigkeit gegen den Salon und einen
Widerwillen gegen alles Unwahre, Geſchraubte,
Zurechtgemachte. Chic, Tournüre, savoir-faire, —
mir alles ebenſo häßliche wie fremde Wörter.“

Hier bog das Pferd, das er ſchon ſeit einer
Viertelſtunde kaum noch im Zügel hatte, wie von
ſelbſt in einen Seitenweg ein, der zunächſt auf ein
Stück Ackerland und gleich dahinter auf einen von
Unterholz und ein paar Eichen eingefaßten Grasplatz
führte. Hier, im Schatten eines der älteren Bäume,
ſtand ein kurzes, gedrungenes Steinkreuz und als
er näher heranritt, um zu ſehen, was es mit dieſem
Kreuz eigentlich ſei, las er: „Ludwig v. Hinckel¬
dey
, geſt. 10. März 1856.“ Wie das ihn traf!
Er wußte, daß das Kreuz hier herumſtehe, war aber
nie bis an dieſe Stelle gekommen und ſah es nun
als ein Zeichen an, daß das ſeinem eigenen Willen
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[155/0165] terien. Alles, was ich wollte, war ein verſchwiegenes Glück, ein Glück, für das ich früher oder ſpäter, um des ihr erſparten Affronts willen, die ſtille Gut¬ heißung der Geſellſchaft erwartete. So war mein Traum, ſo gingen meine Hoffnungen und Gedanken. Und nun ſoll ich heraus aus dieſem Glück und ſoll ein andres eintauſchen, das mir keins iſt. Ich hab' eine Gleichgiltigkeit gegen den Salon und einen Widerwillen gegen alles Unwahre, Geſchraubte, Zurechtgemachte. Chic, Tournüre, savoir-faire, — mir alles ebenſo häßliche wie fremde Wörter.“ Hier bog das Pferd, das er ſchon ſeit einer Viertelſtunde kaum noch im Zügel hatte, wie von ſelbſt in einen Seitenweg ein, der zunächſt auf ein Stück Ackerland und gleich dahinter auf einen von Unterholz und ein paar Eichen eingefaßten Grasplatz führte. Hier, im Schatten eines der älteren Bäume, ſtand ein kurzes, gedrungenes Steinkreuz und als er näher heranritt, um zu ſehen, was es mit dieſem Kreuz eigentlich ſei, las er: „Ludwig v. Hinckel¬ dey, geſt. 10. März 1856.“ Wie das ihn traf! Er wußte, daß das Kreuz hier herumſtehe, war aber nie bis an dieſe Stelle gekommen und ſah es nun als ein Zeichen an, daß das ſeinem eigenen Willen überlaſſene Pferd, ihn gerade hierher geführt hatte. Hinckeldey! Das war nun an die zwanzig Jahr, daß der damals Allmächtige zu Tode kam und alles

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/165>, abgerufen am 21.11.2024.