saßen wundervoll und man hätte sie für eine Dame halten können, wenn sie nicht, während Isabeau mit dem Wirthe sprach, den einen Handschuhknopf, der aufgesprungen war, mit den Zähnen wieder zuge¬ knöpft hätte.
"Was meinen Sie, Johanna?" wiederholte die Königin ihre Frage.
"Nun dann schlag' ich vor, daß wir nach dem Dorfe zurück gehn, von dem wir gekommen sind. Es hieß ja wohl Zeuthen und sah so romantisch und so melancholisch aus und war ein so hübscher Weg hierher. Und zurück muß er eigentlich eben so hübsch sein oder vielleicht noch hübscher. Und an der rechten, das heißt also von hier aus an der linken Seite, war ein Kirchhof mit lauter Kreuzer drauf. Und ein sehr großes von Marmohr."
"Ja, liebe Johanna, das ist alles ganz gut, aber was sollen wir damit? Wir haben ja den Weg ge¬ sehen. Oder wollen Sie den Kirchhof . . ."
"Freilich will ich. Ich habe da so meine Ge¬ fühle, besonders an solchem Tage wie heute. Und es ist immer gut, sich zu erinnern, daß man sterben muß. Und wenn dann der Flieder so blüht . . ."
"Aber, Johanna, der Flieder blüht ja gar nicht mehr, höchstens noch der Goldregen und der hat eigentlich auch schon Schoten. Du meine Güte, wenn Sie so partout für Kirchhöfe sind, so können
ſaßen wundervoll und man hätte ſie für eine Dame halten können, wenn ſie nicht, während Iſabeau mit dem Wirthe ſprach, den einen Handſchuhknopf, der aufgeſprungen war, mit den Zähnen wieder zuge¬ knöpft hätte.
„Was meinen Sie, Johanna?“ wiederholte die Königin ihre Frage.
„Nun dann ſchlag' ich vor, daß wir nach dem Dorfe zurück gehn, von dem wir gekommen ſind. Es hieß ja wohl Zeuthen und ſah ſo romantiſch und ſo melancholiſch aus und war ein ſo hübſcher Weg hierher. Und zurück muß er eigentlich eben ſo hübſch ſein oder vielleicht noch hübſcher. Und an der rechten, das heißt alſo von hier aus an der linken Seite, war ein Kirchhof mit lauter Kreuzer drauf. Und ein ſehr großes von Marmohr.“
„Ja, liebe Johanna, das iſt alles ganz gut, aber was ſollen wir damit? Wir haben ja den Weg ge¬ ſehen. Oder wollen Sie den Kirchhof . . .“
„Freilich will ich. Ich habe da ſo meine Ge¬ fühle, beſonders an ſolchem Tage wie heute. Und es iſt immer gut, ſich zu erinnern, daß man ſterben muß. Und wenn dann der Flieder ſo blüht . . .“
„Aber, Johanna, der Flieder blüht ja gar nicht mehr, höchſtens noch der Goldregen und der hat eigentlich auch ſchon Schoten. Du meine Güte, wenn Sie ſo partout für Kirchhöfe ſind, ſo können
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0147"n="137"/>ſaßen wundervoll und man hätte ſie für eine Dame<lb/>
halten können, wenn ſie nicht, während Iſabeau mit<lb/>
dem Wirthe ſprach, den einen Handſchuhknopf, der<lb/>
aufgeſprungen war, mit den Zähnen wieder zuge¬<lb/>
knöpft hätte.</p><lb/><p>„Was meinen Sie, Johanna?“ wiederholte die<lb/>
Königin ihre Frage.</p><lb/><p>„Nun dann ſchlag' ich vor, daß wir nach dem<lb/>
Dorfe zurück gehn, von dem wir gekommen ſind.<lb/>
Es hieß ja wohl Zeuthen und ſah ſo romantiſch<lb/>
und ſo melancholiſch aus und war ein ſo hübſcher<lb/>
Weg hierher. Und zurück muß er eigentlich eben<lb/>ſo hübſch ſein oder vielleicht noch hübſcher. Und<lb/>
an der rechten, das heißt alſo von hier aus an der<lb/>
linken Seite, war ein Kirchhof mit lauter Kreuzer<lb/>
drauf. Und ein ſehr großes von Marmohr.“</p><lb/><p>„Ja, liebe Johanna, das iſt alles ganz gut, aber<lb/>
was ſollen wir damit? Wir haben ja den Weg ge¬<lb/>ſehen. Oder wollen Sie den Kirchhof . . .“</p><lb/><p>„Freilich will ich. Ich habe da ſo meine Ge¬<lb/>
fühle, beſonders an ſolchem Tage wie heute. Und<lb/>
es iſt immer gut, ſich zu erinnern, daß man ſterben<lb/>
muß. Und wenn dann der Flieder ſo blüht . . .“</p><lb/><p>„Aber, Johanna, der Flieder blüht ja gar nicht<lb/>
mehr, höchſtens noch der Goldregen und der hat<lb/>
eigentlich auch ſchon Schoten. Du meine Güte,<lb/>
wenn Sie ſo partout für Kirchhöfe ſind, ſo können<lb/></p></div></body></text></TEI>
[137/0147]
ſaßen wundervoll und man hätte ſie für eine Dame
halten können, wenn ſie nicht, während Iſabeau mit
dem Wirthe ſprach, den einen Handſchuhknopf, der
aufgeſprungen war, mit den Zähnen wieder zuge¬
knöpft hätte.
„Was meinen Sie, Johanna?“ wiederholte die
Königin ihre Frage.
„Nun dann ſchlag' ich vor, daß wir nach dem
Dorfe zurück gehn, von dem wir gekommen ſind.
Es hieß ja wohl Zeuthen und ſah ſo romantiſch
und ſo melancholiſch aus und war ein ſo hübſcher
Weg hierher. Und zurück muß er eigentlich eben
ſo hübſch ſein oder vielleicht noch hübſcher. Und
an der rechten, das heißt alſo von hier aus an der
linken Seite, war ein Kirchhof mit lauter Kreuzer
drauf. Und ein ſehr großes von Marmohr.“
„Ja, liebe Johanna, das iſt alles ganz gut, aber
was ſollen wir damit? Wir haben ja den Weg ge¬
ſehen. Oder wollen Sie den Kirchhof . . .“
„Freilich will ich. Ich habe da ſo meine Ge¬
fühle, beſonders an ſolchem Tage wie heute. Und
es iſt immer gut, ſich zu erinnern, daß man ſterben
muß. Und wenn dann der Flieder ſo blüht . . .“
„Aber, Johanna, der Flieder blüht ja gar nicht
mehr, höchſtens noch der Goldregen und der hat
eigentlich auch ſchon Schoten. Du meine Güte,
wenn Sie ſo partout für Kirchhöfe ſind, ſo können
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/147>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.