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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Neuzeit und Komfort hier gethan hatten. Auch
ein paar gute Bilder, muthmaßlich auf einer Auktion
erstanden, hingen an den alten, überall Buckel und
Blasen bildenden Lehmwänden umher, und just da,
wo der vorgebaute Fenstergiebel nach hinten oder
was dasselbe sagen will nach dem eigentlichen Zimmer
zu, die Dachschrägung traf, standen sich ein paar
elegante Toilettentische gegenüber. Alles zeigte, daß
man die Fischer- und Schiffer-Herberge mit Ge¬
flissentlichkeit beibehalten, aber sie doch zugleich auch
in ein gefälliges Gasthaus für die reichen Sports¬
leute vom Segler- und Ruderklub umgewandelt hatte.

Lene fühlte sich angeheimelt von Allem, was sie
sah, und begann zunächst die rechts und links in
breiter Umrahmung über den Bettständen hängenden
Bilder zu betrachten. Es waren Stiche, die sie,
dem Gegenstande nach, lebhaft interessirten, und so
wollte sie gerne wissen, was es mit den Unter¬
schriften auf sich habe. "Washington crossing
the Delaware
" stand unter dem einen, "The last
hour at Trafalgar
" unter dem andern. Aber sie
kam über ein bloßes Silbenentziffern nicht hinaus,
und das gab ihr, so klein die Sache war, einen
Stich ins Herz, weil sie sich der Kluft dabei bewußt
wurde, die sie von Botho trennte. Der spöttelte
freilich über Wissen und Bildung, aber sie war klug

Neuzeit und Komfort hier gethan hatten. Auch
ein paar gute Bilder, muthmaßlich auf einer Auktion
erſtanden, hingen an den alten, überall Buckel und
Blaſen bildenden Lehmwänden umher, und juſt da,
wo der vorgebaute Fenſtergiebel nach hinten oder
was dasſelbe ſagen will nach dem eigentlichen Zimmer
zu, die Dachſchrägung traf, ſtanden ſich ein paar
elegante Toilettentiſche gegenüber. Alles zeigte, daß
man die Fiſcher- und Schiffer-Herberge mit Ge¬
fliſſentlichkeit beibehalten, aber ſie doch zugleich auch
in ein gefälliges Gaſthaus für die reichen Sports¬
leute vom Segler- und Ruderklub umgewandelt hatte.

Lene fühlte ſich angeheimelt von Allem, was ſie
ſah, und begann zunächſt die rechts und links in
breiter Umrahmung über den Bettſtänden hängenden
Bilder zu betrachten. Es waren Stiche, die ſie,
dem Gegenſtande nach, lebhaft intereſſirten, und ſo
wollte ſie gerne wiſſen, was es mit den Unter¬
ſchriften auf ſich habe. „Washington crossing
the Delaware
“ ſtand unter dem einen, „The last
hour at Trafalgar
“ unter dem andern. Aber ſie
kam über ein bloßes Silbenentziffern nicht hinaus,
und das gab ihr, ſo klein die Sache war, einen
Stich ins Herz, weil ſie ſich der Kluft dabei bewußt
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[122/0132] Neuzeit und Komfort hier gethan hatten. Auch ein paar gute Bilder, muthmaßlich auf einer Auktion erſtanden, hingen an den alten, überall Buckel und Blaſen bildenden Lehmwänden umher, und juſt da, wo der vorgebaute Fenſtergiebel nach hinten oder was dasſelbe ſagen will nach dem eigentlichen Zimmer zu, die Dachſchrägung traf, ſtanden ſich ein paar elegante Toilettentiſche gegenüber. Alles zeigte, daß man die Fiſcher- und Schiffer-Herberge mit Ge¬ fliſſentlichkeit beibehalten, aber ſie doch zugleich auch in ein gefälliges Gaſthaus für die reichen Sports¬ leute vom Segler- und Ruderklub umgewandelt hatte. Lene fühlte ſich angeheimelt von Allem, was ſie ſah, und begann zunächſt die rechts und links in breiter Umrahmung über den Bettſtänden hängenden Bilder zu betrachten. Es waren Stiche, die ſie, dem Gegenſtande nach, lebhaft intereſſirten, und ſo wollte ſie gerne wiſſen, was es mit den Unter¬ ſchriften auf ſich habe. „Washington crossing the Delaware“ ſtand unter dem einen, „The last hour at Trafalgar“ unter dem andern. Aber ſie kam über ein bloßes Silbenentziffern nicht hinaus, und das gab ihr, ſo klein die Sache war, einen Stich ins Herz, weil ſie ſich der Kluft dabei bewußt wurde, die ſie von Botho trennte. Der ſpöttelte freilich über Wiſſen und Bildung, aber ſie war klug

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/132>, abgerufen am 25.11.2024.