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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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schaar und mehr noch in einem gelegentlichen Hunde¬
geblaff ihre Bestätigung fand. Wo dieser Hund
eigentlich steckte, das entzog sich freilich der Wahr¬
nehmung, trotzdem die hart an der linken Ecke ge¬
legene, von früh bis spät aufstehende Hausthür
einen Blick auf ein Stückchen Hofraum gestattete.
Ueberhaupt schien sich nichts mit Absicht verbergen
zu wollen, und doch mußte jeder, der zu Beginn
unserer Erzählung des Weges kam, sich an dem
Anblick des dreifenstrigen Häuschens und einiger
im Vorgarten stehenden Obstbäume genügen lassen.


Es war die Woche nach Pfingsten, die Zeit der
langen Tage, deren blendendes Licht mitunter kein
Ende nehmen wollte. Heut aber stand die Sonne
schon hinter dem Wilmersdorfer Kirchthurm und
statt der Strahlen, die sie den ganzen Tag über
herabgeschickt hatte, lagen bereits abendliche Schatten
in dem Vorgarten, dessen halbmärchenhafte Stille
nur noch von der Stille des von der alten Frau
Nimptsch und ihrer Pflegetochter Lene miethweise
bewohnten Häuschens übertroffen wurde. Frau
Nimptsch selbst aber saß wie gewöhnlich an dem
großen, kaum fußhohen Herd ihres die ganze Haus¬
front einnehmenden Vorderzimmers und sah, hockend
und vorgebeugt, auf einen rußigen alten Theekessel,

ſchaar und mehr noch in einem gelegentlichen Hunde¬
geblaff ihre Beſtätigung fand. Wo dieſer Hund
eigentlich ſteckte, das entzog ſich freilich der Wahr¬
nehmung, trotzdem die hart an der linken Ecke ge¬
legene, von früh bis ſpät aufſtehende Hausthür
einen Blick auf ein Stückchen Hofraum geſtattete.
Ueberhaupt ſchien ſich nichts mit Abſicht verbergen
zu wollen, und doch mußte jeder, der zu Beginn
unſerer Erzählung des Weges kam, ſich an dem
Anblick des dreifenſtrigen Häuschens und einiger
im Vorgarten ſtehenden Obſtbäume genügen laſſen.


Es war die Woche nach Pfingſten, die Zeit der
langen Tage, deren blendendes Licht mitunter kein
Ende nehmen wollte. Heut aber ſtand die Sonne
ſchon hinter dem Wilmersdorfer Kirchthurm und
ſtatt der Strahlen, die ſie den ganzen Tag über
herabgeſchickt hatte, lagen bereits abendliche Schatten
in dem Vorgarten, deſſen halbmärchenhafte Stille
nur noch von der Stille des von der alten Frau
Nimptſch und ihrer Pflegetochter Lene miethweiſe
bewohnten Häuschens übertroffen wurde. Frau
Nimptſch ſelbſt aber ſaß wie gewöhnlich an dem
großen, kaum fußhohen Herd ihres die ganze Haus¬
front einnehmenden Vorderzimmers und ſah, hockend
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[2/0012] ſchaar und mehr noch in einem gelegentlichen Hunde¬ geblaff ihre Beſtätigung fand. Wo dieſer Hund eigentlich ſteckte, das entzog ſich freilich der Wahr¬ nehmung, trotzdem die hart an der linken Ecke ge¬ legene, von früh bis ſpät aufſtehende Hausthür einen Blick auf ein Stückchen Hofraum geſtattete. Ueberhaupt ſchien ſich nichts mit Abſicht verbergen zu wollen, und doch mußte jeder, der zu Beginn unſerer Erzählung des Weges kam, ſich an dem Anblick des dreifenſtrigen Häuschens und einiger im Vorgarten ſtehenden Obſtbäume genügen laſſen. Es war die Woche nach Pfingſten, die Zeit der langen Tage, deren blendendes Licht mitunter kein Ende nehmen wollte. Heut aber ſtand die Sonne ſchon hinter dem Wilmersdorfer Kirchthurm und ſtatt der Strahlen, die ſie den ganzen Tag über herabgeſchickt hatte, lagen bereits abendliche Schatten in dem Vorgarten, deſſen halbmärchenhafte Stille nur noch von der Stille des von der alten Frau Nimptſch und ihrer Pflegetochter Lene miethweiſe bewohnten Häuschens übertroffen wurde. Frau Nimptſch ſelbſt aber ſaß wie gewöhnlich an dem großen, kaum fußhohen Herd ihres die ganze Haus¬ front einnehmenden Vorderzimmers und ſah, hockend und vorgebeugt, auf einen rußigen alten Theekeſſel,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/12>, abgerufen am 21.11.2024.