Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851."Laß ab! Die Thrän' in Deinem Aug' Macht mir das Herze weich, Und wäscht dem frischen Muth in mir Die Wange wieder bleich." Er sprach's und schwieg. Das blasse Weib Sah starr ihm in's Gesicht, Ihr Ohr vernahm die Worte wohl Und hörte doch sie nicht. Dann rief sie, daß ihr Schmerzensschrei Ihm in die Seele schnitt: "Das Beil, das Deinen Nacken trifft, O träf es doch mich mit!" Hin sank sie; Bawdin küsste leis
Auf Stirne sie und Wang; Dann sprach er: "Schließer, nimm mich hin Auf meinem letzten Gang!" „Laß ab! Die Thrän’ in Deinem Aug’ Macht mir das Herze weich, Und wäſcht dem friſchen Muth in mir Die Wange wieder bleich.“ Er ſprach’s und ſchwieg. Das blaſſe Weib Sah ſtarr ihm in’s Geſicht, Ihr Ohr vernahm die Worte wohl Und hörte doch ſie nicht. Dann rief ſie, daß ihr Schmerzensſchrei Ihm in die Seele ſchnitt: „Das Beil, das Deinen Nacken trifft, O träf es doch mich mit!“ Hin ſank ſie; Bawdin küſſte leis
Auf Stirne ſie und Wang; Dann ſprach er: „Schließer, nimm mich hin Auf meinem letzten Gang!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0093" n="79"/> </l> <lg n="35"> <l>„Laß ab! Die Thrän’ in Deinem Aug’</l><lb/> <l>Macht mir das Herze weich,</l><lb/> <l>Und wäſcht dem friſchen Muth in mir</l><lb/> <l>Die Wange wieder bleich.“</l> </lg><lb/> <lg n="36"> <l>Er ſprach’s und ſchwieg. Das blaſſe Weib</l><lb/> <l>Sah ſtarr ihm in’s Geſicht,</l><lb/> <l>Ihr Ohr vernahm die Worte wohl</l><lb/> <l>Und hörte doch ſie nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="37"> <l>Dann rief ſie, daß ihr Schmerzensſchrei</l><lb/> <l>Ihm in die Seele ſchnitt:</l><lb/> <l>„Das Beil, das Deinen Nacken trifft,</l><lb/> <l>O träf es doch mich mit!“</l> </lg><lb/> <lg n="38"> <l>Hin ſank ſie; Bawdin küſſte leis</l><lb/> <l>Auf Stirne ſie und Wang;</l><lb/> <l>Dann ſprach er: „Schließer, nimm mich hin</l><lb/> <l>Auf meinem letzten Gang!“</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0093]
„Laß ab! Die Thrän’ in Deinem Aug’
Macht mir das Herze weich,
Und wäſcht dem friſchen Muth in mir
Die Wange wieder bleich.“
Er ſprach’s und ſchwieg. Das blaſſe Weib
Sah ſtarr ihm in’s Geſicht,
Ihr Ohr vernahm die Worte wohl
Und hörte doch ſie nicht.
Dann rief ſie, daß ihr Schmerzensſchrei
Ihm in die Seele ſchnitt:
„Das Beil, das Deinen Nacken trifft,
O träf es doch mich mit!“
Hin ſank ſie; Bawdin küſſte leis
Auf Stirne ſie und Wang;
Dann ſprach er: „Schließer, nimm mich hin
Auf meinem letzten Gang!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851/93 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851/93>, abgerufen am 23.07.2024. |