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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
(so viel hatte sie schon am Abend vorher bemerkt)
nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie
fühlte jetzt, wie seine Wärme herüberströmte. Wie
schön es doch war, im eigenen Hause zu sein; so
viel Behagen hatte sie während der ganzen Reise
nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.

Aber wo war Innstetten? Alles still um sie
her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackschlag
einer kleinen Pendule und dann und wann einen
dumpfen Ton im Ofen, woraus sie schloß, daß vom
Flur her ein paar neue Scheite nachgeschoben würden.
Allmählich entsann sie sich auch, daß Geert, am
Abend vorher, von einer elektrischen Klingel gesprochen
hatte, nach der sie denn auch nicht lange mehr zu
suchen brauchte; dicht neben ihrem Kissen war der
kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den sie nun leise
drückte.

Gleich danach erschien Johanna. "Gnädige
Frau haben befohlen."

"Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬
schlafen. Es muß schon spät sein."

"Eben neun."

"Und der Herr ..." es wollt' ihr nicht glücken,
so ohne weiteres von ihrem "Manne" zu sprechen ...
"der Herr, er muß sehr leise gemacht haben; ich
habe nichts gehört."

6 *

Effi Brieſt
(ſo viel hatte ſie ſchon am Abend vorher bemerkt)
nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie
fühlte jetzt, wie ſeine Wärme herüberſtrömte. Wie
ſchön es doch war, im eigenen Hauſe zu ſein; ſo
viel Behagen hatte ſie während der ganzen Reiſe
nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.

Aber wo war Innſtetten? Alles ſtill um ſie
her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackſchlag
einer kleinen Pendule und dann und wann einen
dumpfen Ton im Ofen, woraus ſie ſchloß, daß vom
Flur her ein paar neue Scheite nachgeſchoben würden.
Allmählich entſann ſie ſich auch, daß Geert, am
Abend vorher, von einer elektriſchen Klingel geſprochen
hatte, nach der ſie denn auch nicht lange mehr zu
ſuchen brauchte; dicht neben ihrem Kiſſen war der
kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den ſie nun leiſe
drückte.

Gleich danach erſchien Johanna. „Gnädige
Frau haben befohlen.“

„Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬
ſchlafen. Es muß ſchon ſpät ſein.“

„Eben neun.“

„Und der Herr …“ es wollt' ihr nicht glücken,
ſo ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu ſprechen …
„der Herr, er muß ſehr leiſe gemacht haben; ich
habe nichts gehört.“

6 *
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[83/0092] Effi Brieſt (ſo viel hatte ſie ſchon am Abend vorher bemerkt) nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie fühlte jetzt, wie ſeine Wärme herüberſtrömte. Wie ſchön es doch war, im eigenen Hauſe zu ſein; ſo viel Behagen hatte ſie während der ganzen Reiſe nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent. Aber wo war Innſtetten? Alles ſtill um ſie her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackſchlag einer kleinen Pendule und dann und wann einen dumpfen Ton im Ofen, woraus ſie ſchloß, daß vom Flur her ein paar neue Scheite nachgeſchoben würden. Allmählich entſann ſie ſich auch, daß Geert, am Abend vorher, von einer elektriſchen Klingel geſprochen hatte, nach der ſie denn auch nicht lange mehr zu ſuchen brauchte; dicht neben ihrem Kiſſen war der kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den ſie nun leiſe drückte. Gleich danach erſchien Johanna. „Gnädige Frau haben befohlen.“ „Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬ ſchlafen. Es muß ſchon ſpät ſein.“ „Eben neun.“ „Und der Herr …“ es wollt' ihr nicht glücken, ſo ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu ſprechen … „der Herr, er muß ſehr leiſe gemacht haben; ich habe nichts gehört.“ 6 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/92>, abgerufen am 23.11.2024.