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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Das wird er auch nicht."

"Das wird er auch nicht. Höre, das klingt ja
sonderbar, als ob es doch möglich wäre. Du willst
mir Kessin interessant machen, aber Du gehst darin
ein bißchen weit. Und solche fremde Leute habt Ihr
viele in Kessin?"

"Sehr viele. Die ganze Stadt besteht aus
solchen Fremden, aus Menschen, deren Eltern oder
Großeltern noch ganz wo anders saßen."

"Höchst merkwürdig. Bitte, sage mir mehr
davon. Aber nicht wieder was Gruseliges. Ein
Chinese, find' ich, hat immer was Gruseliges."

"Ja, das hat er," lachte Geert. "Aber der
Rest ist, Gott sei Dank, von ganz anderer Art,
lauter manierliche Leute, vielleicht ein bißchen zu sehr
Kaufmann, ein bißchen zu sehr auf ihren Vorteil
bedacht, und mit Wechseln von zweifelhaftem Wert
immer bei der Hand. Ja, man muß sich vorsehen
mit ihnen. Aber sonst ganz gemütlich. Und damit
Du siehst, daß ich Dir nichts vorgemacht habe, will
ich Dir nur so eine kleine Probe geben, so eine Art
Register oder Personenverzeichnis."

"Ja, Geert, das thu'."

"Da haben wir beispielsweise keine fünfzig
Schritt von uns, und unsere Gärten stoßen sogar
zusammen, den Maschinen- und Baggermeister

Effi Brieſt

„Das wird er auch nicht.“

„Das wird er auch nicht. Höre, das klingt ja
ſonderbar, als ob es doch möglich wäre. Du willſt
mir Keſſin intereſſant machen, aber Du gehſt darin
ein bißchen weit. Und ſolche fremde Leute habt Ihr
viele in Keſſin?“

„Sehr viele. Die ganze Stadt beſteht aus
ſolchen Fremden, aus Menſchen, deren Eltern oder
Großeltern noch ganz wo anders ſaßen.“

„Höchſt merkwürdig. Bitte, ſage mir mehr
davon. Aber nicht wieder was Gruſeliges. Ein
Chineſe, find' ich, hat immer was Gruſeliges.“

„Ja, das hat er,“ lachte Geert. „Aber der
Reſt iſt, Gott ſei Dank, von ganz anderer Art,
lauter manierliche Leute, vielleicht ein bißchen zu ſehr
Kaufmann, ein bißchen zu ſehr auf ihren Vorteil
bedacht, und mit Wechſeln von zweifelhaftem Wert
immer bei der Hand. Ja, man muß ſich vorſehen
mit ihnen. Aber ſonſt ganz gemütlich. Und damit
Du ſiehſt, daß ich Dir nichts vorgemacht habe, will
ich Dir nur ſo eine kleine Probe geben, ſo eine Art
Regiſter oder Perſonenverzeichnis.“

„Ja, Geert, das thu'.“

„Da haben wir beiſpielsweiſe keine fünfzig
Schritt von uns, und unſere Gärten ſtoßen ſogar
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[71/0080] Effi Brieſt „Das wird er auch nicht.“ „Das wird er auch nicht. Höre, das klingt ja ſonderbar, als ob es doch möglich wäre. Du willſt mir Keſſin intereſſant machen, aber Du gehſt darin ein bißchen weit. Und ſolche fremde Leute habt Ihr viele in Keſſin?“ „Sehr viele. Die ganze Stadt beſteht aus ſolchen Fremden, aus Menſchen, deren Eltern oder Großeltern noch ganz wo anders ſaßen.“ „Höchſt merkwürdig. Bitte, ſage mir mehr davon. Aber nicht wieder was Gruſeliges. Ein Chineſe, find' ich, hat immer was Gruſeliges.“ „Ja, das hat er,“ lachte Geert. „Aber der Reſt iſt, Gott ſei Dank, von ganz anderer Art, lauter manierliche Leute, vielleicht ein bißchen zu ſehr Kaufmann, ein bißchen zu ſehr auf ihren Vorteil bedacht, und mit Wechſeln von zweifelhaftem Wert immer bei der Hand. Ja, man muß ſich vorſehen mit ihnen. Aber ſonſt ganz gemütlich. Und damit Du ſiehſt, daß ich Dir nichts vorgemacht habe, will ich Dir nur ſo eine kleine Probe geben, ſo eine Art Regiſter oder Perſonenverzeichnis.“ „Ja, Geert, das thu'.“ „Da haben wir beiſpielsweiſe keine fünfzig Schritt von uns, und unſere Gärten ſtoßen ſogar zuſammen, den Maſchinen- und Baggermeiſter

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/80>, abgerufen am 23.11.2024.