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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
setzte, grüßte Effi vom Koupee aus. Dann machte
sie sich's bequem und schloß die Augen; nur von
Zeit zu Zeit richtete sie sich wieder auf und reichte
Innstetten die Hand.

Es war eine angenehme Fahrt, und pünktlich
erreichte der Zug den Bahnhof Klein-Tantow, von
dem aus eine Chaussee nach dem noch zwei Meilen
entfernten Kessin hinüberführte. Bei Sommerzeit,
namentlich während der Bademonate, benutzte man
statt der Chaussee lieber den Wasserweg und fuhr,
auf einem alten Raddampfer, das Flüßchen Kessine,
dem Kessin selbst seinen Namen verdankte, hinunter;
am 1. Oktober aber stellte der "Phönix", von dem
seit lange vergeblich gewünscht wurde, daß er in einer
passagierfreien Stunde sich seines Namens entsinnen
und verbrennen möge, regelmäßig seine Fahrten ein,
weshalb denn auch Innstetten bereits von Stettin
aus an seinen Kutscher Kruse telegraphiert hatte:
"Fünf Uhr, Bahnhof Klein-Tantow. Bei gutem
Wetter offener Wagen."

Und nun war gutes Wetter, und Kruse hielt
in offenem Gefährt am Bahnhof und begrüßte die
Ankommenden mit dem vorschriftsmäßigen Anstand
eines herrschaftlichen Kutschers.

"Nun, Kruse, alles in Ordnung?

"Zu Befehl, Herr Landrat."

Effi Brieſt
ſetzte, grüßte Effi vom Koupee aus. Dann machte
ſie ſich's bequem und ſchloß die Augen; nur von
Zeit zu Zeit richtete ſie ſich wieder auf und reichte
Innſtetten die Hand.

Es war eine angenehme Fahrt, und pünktlich
erreichte der Zug den Bahnhof Klein-Tantow, von
dem aus eine Chauſſee nach dem noch zwei Meilen
entfernten Keſſin hinüberführte. Bei Sommerzeit,
namentlich während der Bademonate, benutzte man
ſtatt der Chauſſee lieber den Waſſerweg und fuhr,
auf einem alten Raddampfer, das Flüßchen Keſſine,
dem Keſſin ſelbſt ſeinen Namen verdankte, hinunter;
am 1. Oktober aber ſtellte der „Phönix“, von dem
ſeit lange vergeblich gewünſcht wurde, daß er in einer
paſſagierfreien Stunde ſich ſeines Namens entſinnen
und verbrennen möge, regelmäßig ſeine Fahrten ein,
weshalb denn auch Innſtetten bereits von Stettin
aus an ſeinen Kutſcher Kruſe telegraphiert hatte:
„Fünf Uhr, Bahnhof Klein-Tantow. Bei gutem
Wetter offener Wagen.“

Und nun war gutes Wetter, und Kruſe hielt
in offenem Gefährt am Bahnhof und begrüßte die
Ankommenden mit dem vorſchriftsmäßigen Anſtand
eines herrſchaftlichen Kutſchers.

„Nun, Kruſe, alles in Ordnung?

„Zu Befehl, Herr Landrat.“

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[66/0075] Effi Brieſt ſetzte, grüßte Effi vom Koupee aus. Dann machte ſie ſich's bequem und ſchloß die Augen; nur von Zeit zu Zeit richtete ſie ſich wieder auf und reichte Innſtetten die Hand. Es war eine angenehme Fahrt, und pünktlich erreichte der Zug den Bahnhof Klein-Tantow, von dem aus eine Chauſſee nach dem noch zwei Meilen entfernten Keſſin hinüberführte. Bei Sommerzeit, namentlich während der Bademonate, benutzte man ſtatt der Chauſſee lieber den Waſſerweg und fuhr, auf einem alten Raddampfer, das Flüßchen Keſſine, dem Keſſin ſelbſt ſeinen Namen verdankte, hinunter; am 1. Oktober aber ſtellte der „Phönix“, von dem ſeit lange vergeblich gewünſcht wurde, daß er in einer paſſagierfreien Stunde ſich ſeines Namens entſinnen und verbrennen möge, regelmäßig ſeine Fahrten ein, weshalb denn auch Innſtetten bereits von Stettin aus an ſeinen Kutſcher Kruſe telegraphiert hatte: „Fünf Uhr, Bahnhof Klein-Tantow. Bei gutem Wetter offener Wagen.“ Und nun war gutes Wetter, und Kruſe hielt in offenem Gefährt am Bahnhof und begrüßte die Ankommenden mit dem vorſchriftsmäßigen Anſtand eines herrſchaftlichen Kutſchers. „Nun, Kruſe, alles in Ordnung? „Zu Befehl, Herr Landrat.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/75>, abgerufen am 23.11.2024.