Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest muß man sehn wegen des Palladio; Geert sagtemir, daß in ihm alles Moderne wurzele. Natürlich nur in Bezug auf Baukunst. Hier in Padua (wo wir heute früh ankamen) sprach er im Hotelwagen etliche Male vor sich hin: ,Er liegt in Padua be¬ graben', und war überrascht, als er von mir ver¬ nahm, daß ich diese Worte noch nie gehört hätte. Schließlich aber sagte er, es sei eigentlich ganz gut und ein Vorzug, daß ich nichts davon wüßte. Er ist überhaupt sehr gerecht. Und vor allem ist er engelsgut gegen mich und gar nicht überheblich und auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen in den Füßen, und das Nachschlagen und das lange Stehen vor den Bildern strengt mich an. Aber es muß ja sein. Ich freue mich sehr auf Venedig. Da bleiben wir fünf Tage, ja, vielleicht eine ganze Woche. Geert hat mir schon von den Tauben auf dem Markus¬ platze vorgeschwärmt, und daß man sich da Tüten mit Erbsen kauft und dann die schönen Tiere damit füttert. Es soll Bilder geben, die das darstellen, schöne blonde Mädchen, ,ein Typus wie Hulda,' sagte er. Wobei mir denn auch die Jahnke'schen Mädchen einfallen. Ach, ich gäbe 'was drum, wenn ich mit ihnen auf unserm Hof auf einer Wagen¬ deichsel sitzen und unsere Tauben füttern könnte. Die Pfauentaube mit dem starken Kropf dürft ihr Effi Brieſt muß man ſehn wegen des Palladio; Geert ſagtemir, daß in ihm alles Moderne wurzele. Natürlich nur in Bezug auf Baukunſt. Hier in Padua (wo wir heute früh ankamen) ſprach er im Hotelwagen etliche Male vor ſich hin: ,Er liegt in Padua be¬ graben‘, und war überraſcht, als er von mir ver¬ nahm, daß ich dieſe Worte noch nie gehört hätte. Schließlich aber ſagte er, es ſei eigentlich ganz gut und ein Vorzug, daß ich nichts davon wüßte. Er iſt überhaupt ſehr gerecht. Und vor allem iſt er engelsgut gegen mich und gar nicht überheblich und auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen in den Füßen, und das Nachſchlagen und das lange Stehen vor den Bildern ſtrengt mich an. Aber es muß ja ſein. Ich freue mich ſehr auf Venedig. Da bleiben wir fünf Tage, ja, vielleicht eine ganze Woche. Geert hat mir ſchon von den Tauben auf dem Markus¬ platze vorgeſchwärmt, und daß man ſich da Tüten mit Erbſen kauft und dann die ſchönen Tiere damit füttert. Es ſoll Bilder geben, die das darſtellen, ſchöne blonde Mädchen, ,ein Typus wie Hulda,‘ ſagte er. Wobei mir denn auch die Jahnke'ſchen Mädchen einfallen. Ach, ich gäbe 'was drum, wenn ich mit ihnen auf unſerm Hof auf einer Wagen¬ deichſel ſitzen und unſere Tauben füttern könnte. Die Pfauentaube mit dem ſtarken Kropf dürft ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="63"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> muß man ſehn wegen des Palladio; Geert ſagte<lb/> mir, daß in ihm alles Moderne wurzele. Natürlich<lb/> nur in Bezug auf Baukunſt. Hier in Padua (wo<lb/> wir heute früh ankamen) ſprach er im Hotelwagen<lb/> etliche Male vor ſich hin: ,Er liegt in Padua be¬<lb/> graben‘, und war überraſcht, als er von mir ver¬<lb/> nahm, daß ich dieſe Worte noch nie gehört hätte.<lb/> Schließlich aber ſagte er, es ſei eigentlich ganz gut<lb/> und ein Vorzug, daß ich nichts davon wüßte. Er<lb/> iſt überhaupt ſehr gerecht. Und vor allem iſt er<lb/> engelsgut gegen mich und gar nicht überheblich und<lb/> auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen<lb/> in den Füßen, und das Nachſchlagen und das lange<lb/> Stehen vor den Bildern ſtrengt mich an. Aber es<lb/> muß ja ſein. Ich freue mich ſehr auf Venedig. Da<lb/> bleiben wir fünf Tage, ja, vielleicht eine ganze Woche.<lb/> Geert hat mir ſchon von den Tauben auf dem Markus¬<lb/> platze vorgeſchwärmt, und daß man ſich da Tüten<lb/> mit Erbſen kauft und dann die ſchönen Tiere damit<lb/> füttert. Es ſoll Bilder geben, die das darſtellen,<lb/> ſchöne blonde Mädchen, ,ein Typus wie Hulda,‘<lb/> ſagte er. Wobei mir denn auch die Jahnke'ſchen<lb/> Mädchen einfallen. Ach, ich gäbe 'was drum, wenn<lb/> ich mit ihnen auf unſerm Hof auf einer Wagen¬<lb/> deichſel ſitzen und <hi rendition="#g">unſere</hi> Tauben füttern könnte.<lb/> Die Pfauentaube mit dem ſtarken Kropf dürft ihr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0072]
Effi Brieſt
muß man ſehn wegen des Palladio; Geert ſagte
mir, daß in ihm alles Moderne wurzele. Natürlich
nur in Bezug auf Baukunſt. Hier in Padua (wo
wir heute früh ankamen) ſprach er im Hotelwagen
etliche Male vor ſich hin: ,Er liegt in Padua be¬
graben‘, und war überraſcht, als er von mir ver¬
nahm, daß ich dieſe Worte noch nie gehört hätte.
Schließlich aber ſagte er, es ſei eigentlich ganz gut
und ein Vorzug, daß ich nichts davon wüßte. Er
iſt überhaupt ſehr gerecht. Und vor allem iſt er
engelsgut gegen mich und gar nicht überheblich und
auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen
in den Füßen, und das Nachſchlagen und das lange
Stehen vor den Bildern ſtrengt mich an. Aber es
muß ja ſein. Ich freue mich ſehr auf Venedig. Da
bleiben wir fünf Tage, ja, vielleicht eine ganze Woche.
Geert hat mir ſchon von den Tauben auf dem Markus¬
platze vorgeſchwärmt, und daß man ſich da Tüten
mit Erbſen kauft und dann die ſchönen Tiere damit
füttert. Es ſoll Bilder geben, die das darſtellen,
ſchöne blonde Mädchen, ,ein Typus wie Hulda,‘
ſagte er. Wobei mir denn auch die Jahnke'ſchen
Mädchen einfallen. Ach, ich gäbe 'was drum, wenn
ich mit ihnen auf unſerm Hof auf einer Wagen¬
deichſel ſitzen und unſere Tauben füttern könnte.
Die Pfauentaube mit dem ſtarken Kropf dürft ihr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |