Pinakothek besucht. Geert wollte auch noch nach dem andern hinüber, das ich hier nicht nenne, weil ich wegen der Rechtschreibung in Zweifel bin, und fragen mag ich ihn nicht. Er ist übrigens engelsgut gegen mich und erklärt mir alles. Überhaupt alles sehr schön, aber anstrengend. In Italien wird es wohl nachlassen und besser werden. Wir wohnen in den ,Vier Jahreszeiten', was Geert veranlaßte, mir zu sagen, ,draußen sei Herbst, aber er habe in mir den Frühling.' Ich finde es sehr sinnig. Er ist über¬ haupt sehr aufmerksam. Freilich ich muß es auch sein, namentlich wenn er 'was sagt oder erklärt. Er weiß übrigens alles so gut, daß er nicht einmal nachzuschlagen braucht. Mit Entzücken spricht er von Euch, namentlich von Mama. Hulda findet er etwas zierig; aber der alte Niemeyer hat es ihm ganz an¬ gethan. Tausend Grüße von Eurer ganz berauschten, aber auch etwas müden Effi."
Solche Karten trafen nun täglich ein, aus Inns¬ bruck, aus Verona, aus Vicenza, aus Padua, eine jede fing an: "Wir haben heute Vormittag die hiesige berühmte Galerie besucht," oder, wenn es nicht die Galerie war, so war es eine Arena oder irgend eine Kirche "Santa Maria" mit einem Zunamen. Aus Padua kam, zugleich mit der Karte, noch ein wirklicher Brief. "Gestern waren wir in Vicenza. Vicenza
Effi Brieſt
Pinakothek beſucht. Geert wollte auch noch nach dem andern hinüber, das ich hier nicht nenne, weil ich wegen der Rechtſchreibung in Zweifel bin, und fragen mag ich ihn nicht. Er iſt übrigens engelsgut gegen mich und erklärt mir alles. Überhaupt alles ſehr ſchön, aber anſtrengend. In Italien wird es wohl nachlaſſen und beſſer werden. Wir wohnen in den ,Vier Jahreszeiten‘, was Geert veranlaßte, mir zu ſagen, ‚draußen ſei Herbſt, aber er habe in mir den Frühling.‘ Ich finde es ſehr ſinnig. Er iſt über¬ haupt ſehr aufmerkſam. Freilich ich muß es auch ſein, namentlich wenn er 'was ſagt oder erklärt. Er weiß übrigens alles ſo gut, daß er nicht einmal nachzuſchlagen braucht. Mit Entzücken ſpricht er von Euch, namentlich von Mama. Hulda findet er etwas zierig; aber der alte Niemeyer hat es ihm ganz an¬ gethan. Tauſend Grüße von Eurer ganz berauſchten, aber auch etwas müden Effi.“
Solche Karten trafen nun täglich ein, aus Inns¬ bruck, aus Verona, aus Vicenza, aus Padua, eine jede fing an: „Wir haben heute Vormittag die hieſige berühmte Galerie beſucht,“ oder, wenn es nicht die Galerie war, ſo war es eine Arena oder irgend eine Kirche „Santa Maria“ mit einem Zunamen. Aus Padua kam, zugleich mit der Karte, noch ein wirklicher Brief. „Geſtern waren wir in Vicenza. Vicenza
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0071"n="62"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> Pinakothek beſucht. Geert wollte auch noch nach dem<lb/>
andern hinüber, das ich hier nicht nenne, weil ich<lb/>
wegen der Rechtſchreibung in Zweifel bin, und fragen<lb/>
mag ich ihn nicht. Er iſt übrigens engelsgut gegen<lb/>
mich und erklärt mir alles. Überhaupt alles ſehr<lb/>ſchön, aber anſtrengend. In Italien wird es wohl<lb/>
nachlaſſen und beſſer werden. Wir wohnen in den<lb/>
,Vier Jahreszeiten‘, was Geert veranlaßte, mir zu<lb/>ſagen, ‚draußen ſei Herbſt, aber er habe in mir den<lb/>
Frühling.‘ Ich finde es ſehr ſinnig. Er iſt über¬<lb/>
haupt ſehr aufmerkſam. Freilich ich muß es <hirendition="#g">auch</hi><lb/>ſein, namentlich wenn er 'was ſagt oder erklärt. Er<lb/>
weiß übrigens alles ſo gut, daß er nicht einmal<lb/>
nachzuſchlagen braucht. Mit Entzücken ſpricht er von<lb/>
Euch, namentlich von Mama. Hulda findet er etwas<lb/>
zierig; aber der alte Niemeyer hat es ihm ganz an¬<lb/>
gethan. Tauſend Grüße von Eurer ganz berauſchten,<lb/>
aber auch etwas müden Effi.“</p><lb/><p>Solche Karten trafen nun täglich ein, aus Inns¬<lb/>
bruck, aus Verona, aus Vicenza, aus Padua, eine<lb/>
jede fing an: „Wir haben heute Vormittag die<lb/>
hieſige berühmte Galerie beſucht,“ oder, wenn es nicht<lb/>
die Galerie war, ſo war es eine Arena oder irgend eine<lb/>
Kirche „Santa Maria“ mit einem Zunamen. Aus<lb/>
Padua kam, zugleich mit der Karte, noch ein wirklicher<lb/>
Brief. „Geſtern waren wir in Vicenza. Vicenza<lb/></p></div></body></text></TEI>
[62/0071]
Effi Brieſt
Pinakothek beſucht. Geert wollte auch noch nach dem
andern hinüber, das ich hier nicht nenne, weil ich
wegen der Rechtſchreibung in Zweifel bin, und fragen
mag ich ihn nicht. Er iſt übrigens engelsgut gegen
mich und erklärt mir alles. Überhaupt alles ſehr
ſchön, aber anſtrengend. In Italien wird es wohl
nachlaſſen und beſſer werden. Wir wohnen in den
,Vier Jahreszeiten‘, was Geert veranlaßte, mir zu
ſagen, ‚draußen ſei Herbſt, aber er habe in mir den
Frühling.‘ Ich finde es ſehr ſinnig. Er iſt über¬
haupt ſehr aufmerkſam. Freilich ich muß es auch
ſein, namentlich wenn er 'was ſagt oder erklärt. Er
weiß übrigens alles ſo gut, daß er nicht einmal
nachzuſchlagen braucht. Mit Entzücken ſpricht er von
Euch, namentlich von Mama. Hulda findet er etwas
zierig; aber der alte Niemeyer hat es ihm ganz an¬
gethan. Tauſend Grüße von Eurer ganz berauſchten,
aber auch etwas müden Effi.“
Solche Karten trafen nun täglich ein, aus Inns¬
bruck, aus Verona, aus Vicenza, aus Padua, eine
jede fing an: „Wir haben heute Vormittag die
hieſige berühmte Galerie beſucht,“ oder, wenn es nicht
die Galerie war, ſo war es eine Arena oder irgend eine
Kirche „Santa Maria“ mit einem Zunamen. Aus
Padua kam, zugleich mit der Karte, noch ein wirklicher
Brief. „Geſtern waren wir in Vicenza. Vicenza
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/71>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.