wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzu¬ richten, aber zuletzt wird sie's merken, und dann wird es sie beleidigen. Und dann weiß ich nicht, was geschieht. Denn so weich und nachgiebig sie ist, sie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles ankommen."
In diesem Augenblicke trat Wilke vom Saal her ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬ gläsern sei eins zerbrochen, aber schon gestern, als das Hoch ausgebracht wurde -- Fräulein Hulda habe mit Leutnant Nienkerken zu scharf angestoßen.
"Versteht sich, von alter Zeit her immer im Schlaf, und unterm Holunderbaum ist es natürlich nicht besser geworden. Eine alberne Person, und ich begreife Nienkerken nicht."
"Ich begreife ihn vollkommen."
"Er kann sie doch nicht heiraten."
"Nein."
"Also zu was?"
"Ein weites Feld, Luise."
Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei Tage später kam eine kleine gekritzelte Karte aus München, die Namen alle nur mit zwei Buchstaben angedeutet. "Liebe Mama! Heute Vormittag die
Effi Brieſt
wird eine Weile ſo gehen, ohne viel Schaden anzu¬ richten, aber zuletzt wird ſie's merken, und dann wird es ſie beleidigen. Und dann weiß ich nicht, was geſchieht. Denn ſo weich und nachgiebig ſie iſt, ſie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles ankommen.“
In dieſem Augenblicke trat Wilke vom Saal her ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬ gläſern ſei eins zerbrochen, aber ſchon geſtern, als das Hoch ausgebracht wurde — Fräulein Hulda habe mit Leutnant Nienkerken zu ſcharf angeſtoßen.
„Verſteht ſich, von alter Zeit her immer im Schlaf, und unterm Holunderbaum iſt es natürlich nicht beſſer geworden. Eine alberne Perſon, und ich begreife Nienkerken nicht.“
„Ich begreife ihn vollkommen.“
„Er kann ſie doch nicht heiraten.“
„Nein.“
„Alſo zu was?“
„Ein weites Feld, Luiſe.“
Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei Tage ſpäter kam eine kleine gekritzelte Karte aus München, die Namen alle nur mit zwei Buchſtaben angedeutet. „Liebe Mama! Heute Vormittag die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0070"n="61"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>wird eine Weile ſo gehen, ohne viel Schaden anzu¬<lb/>
richten, aber zuletzt wird ſie's merken, und dann<lb/>
wird es ſie beleidigen. Und dann weiß ich nicht,<lb/>
was geſchieht. Denn ſo weich und nachgiebig ſie<lb/>
iſt, ſie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles<lb/>
ankommen.“</p><lb/><p>In dieſem Augenblicke trat Wilke vom Saal her<lb/>
ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles<lb/>
vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬<lb/>
gläſern ſei eins zerbrochen, aber ſchon geſtern, als<lb/>
das Hoch ausgebracht wurde — Fräulein Hulda<lb/>
habe mit Leutnant Nienkerken zu ſcharf angeſtoßen.</p><lb/><p>„Verſteht ſich, von alter Zeit her immer im<lb/>
Schlaf, und unterm Holunderbaum iſt es natürlich<lb/>
nicht beſſer geworden. Eine alberne Perſon, und ich<lb/>
begreife Nienkerken nicht.“</p><lb/><p>„Ich begreife ihn vollkommen.“</p><lb/><p>„Er kann ſie doch nicht heiraten.“</p><lb/><p>„Nein.“</p><lb/><p>„Alſo zu was?“</p><lb/><p>„Ein weites Feld, Luiſe.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei<lb/>
Tage ſpäter kam eine kleine gekritzelte Karte aus<lb/>
München, die Namen alle nur mit zwei Buchſtaben<lb/>
angedeutet. „Liebe Mama! Heute Vormittag die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[61/0070]
Effi Brieſt
wird eine Weile ſo gehen, ohne viel Schaden anzu¬
richten, aber zuletzt wird ſie's merken, und dann
wird es ſie beleidigen. Und dann weiß ich nicht,
was geſchieht. Denn ſo weich und nachgiebig ſie
iſt, ſie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles
ankommen.“
In dieſem Augenblicke trat Wilke vom Saal her
ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles
vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬
gläſern ſei eins zerbrochen, aber ſchon geſtern, als
das Hoch ausgebracht wurde — Fräulein Hulda
habe mit Leutnant Nienkerken zu ſcharf angeſtoßen.
„Verſteht ſich, von alter Zeit her immer im
Schlaf, und unterm Holunderbaum iſt es natürlich
nicht beſſer geworden. Eine alberne Perſon, und ich
begreife Nienkerken nicht.“
„Ich begreife ihn vollkommen.“
„Er kann ſie doch nicht heiraten.“
„Nein.“
„Alſo zu was?“
„Ein weites Feld, Luiſe.“
Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei
Tage ſpäter kam eine kleine gekritzelte Karte aus
München, die Namen alle nur mit zwei Buchſtaben
angedeutet. „Liebe Mama! Heute Vormittag die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/70>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.