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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Namen nannte, was einen großen Eindruck auf die
Mama machte und dieser klar zeigte, daß es zu
Ende sei.

"Aber ich glaube," nahm Frau von Briest das
Wort, "Du wolltest mir 'was erzählen."

"Ja, das wollte ich, weil Du davon sprachst,
ich sei noch so jung. Freilich bin ich noch jung.
Aber das schadet nichts. Es war noch in glücklichen
Tagen, da las mir Innstetten abends vor; er hatte
sehr gute Bücher, und in einem hieß es: es sei wer
von einer fröhlichen Tafel abgerufen worden, und am
anderen Tage habe der Abgerufene gefragt, wie's
denn nachher gewesen sei. Da habe man ihm ge¬
antwortet: ,Ach, es war noch allerlei; aber eigentlich
haben Sie nichts versäumt.' Sieh', Mama, diese
Worte haben sich mir eingeprägt -- es hat nicht
viel zu bedeuten, wenn man von der Tafel etwas
früher abgerufen wird."

Frau von Briest schwieg. Effi aber schob sich
etwas höher hinauf und sagte dann: "Und da ich
nun 'mal von alten Zeiten und auch von Innstetten
gesprochen habe, muß ich Dir doch noch etwas sagen,
liebe Mama."

"Du regst Dich auf, Effi."

"Nein, nein; etwas von der Seele herunter
sprechen, das regt mich nicht auf, das macht still.

Effi Brieſt
Namen nannte, was einen großen Eindruck auf die
Mama machte und dieſer klar zeigte, daß es zu
Ende ſei.

„Aber ich glaube,“ nahm Frau von Brieſt das
Wort, „Du wollteſt mir 'was erzählen.“

„Ja, das wollte ich, weil Du davon ſprachſt,
ich ſei noch ſo jung. Freilich bin ich noch jung.
Aber das ſchadet nichts. Es war noch in glücklichen
Tagen, da las mir Innſtetten abends vor; er hatte
ſehr gute Bücher, und in einem hieß es: es ſei wer
von einer fröhlichen Tafel abgerufen worden, und am
anderen Tage habe der Abgerufene gefragt, wie's
denn nachher geweſen ſei. Da habe man ihm ge¬
antwortet: ,Ach, es war noch allerlei; aber eigentlich
haben Sie nichts verſäumt.‘ Sieh', Mama, dieſe
Worte haben ſich mir eingeprägt — es hat nicht
viel zu bedeuten, wenn man von der Tafel etwas
früher abgerufen wird.“

Frau von Brieſt ſchwieg. Effi aber ſchob ſich
etwas höher hinauf und ſagte dann: „Und da ich
nun 'mal von alten Zeiten und auch von Innſtetten
geſprochen habe, muß ich Dir doch noch etwas ſagen,
liebe Mama.“

„Du regſt Dich auf, Effi.“

„Nein, nein; etwas von der Seele herunter
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[516/0525] Effi Brieſt Namen nannte, was einen großen Eindruck auf die Mama machte und dieſer klar zeigte, daß es zu Ende ſei. „Aber ich glaube,“ nahm Frau von Brieſt das Wort, „Du wollteſt mir 'was erzählen.“ „Ja, das wollte ich, weil Du davon ſprachſt, ich ſei noch ſo jung. Freilich bin ich noch jung. Aber das ſchadet nichts. Es war noch in glücklichen Tagen, da las mir Innſtetten abends vor; er hatte ſehr gute Bücher, und in einem hieß es: es ſei wer von einer fröhlichen Tafel abgerufen worden, und am anderen Tage habe der Abgerufene gefragt, wie's denn nachher geweſen ſei. Da habe man ihm ge¬ antwortet: ,Ach, es war noch allerlei; aber eigentlich haben Sie nichts verſäumt.‘ Sieh', Mama, dieſe Worte haben ſich mir eingeprägt — es hat nicht viel zu bedeuten, wenn man von der Tafel etwas früher abgerufen wird.“ Frau von Brieſt ſchwieg. Effi aber ſchob ſich etwas höher hinauf und ſagte dann: „Und da ich nun 'mal von alten Zeiten und auch von Innſtetten geſprochen habe, muß ich Dir doch noch etwas ſagen, liebe Mama.“ „Du regſt Dich auf, Effi.“ „Nein, nein; etwas von der Seele herunter ſprechen, das regt mich nicht auf, das macht ſtill.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/525>, abgerufen am 24.11.2024.