Wiesike wiegte den Kopf langsam hin und her. "Das will ich nicht sagen, Herr von Briest. Daß sie so fiebert, gefällt mir nicht. Aber wir werden es schon wieder 'runter kriegen, dann muß sie nach der Schweiz oder nach Mentone. Reine Luft und freundliche Eindrücke, die das Alte vergessen machen ..."
"Lethe, Lethe."
"Ja, Lethe," lächelte Wiesike. "Schade, daß uns die alten Schweden, die Griechen, bloß das Wort hinterlassen haben und nicht zugleich auch die Quelle selbst ..."
"Oder wenigstens das Rezept dazu; Wässer werden ja jetzt nachgemacht. Alle Wetter, Wiesike, das wär' ein Geschäft, wenn wir hier so ein Sanatorium anlegen könnten: Friesack als Ver¬ gessenheitsquelle. Nun, vorläufig wollen wir's mit der Riviera versuchen. Mentone ist ja wohl Riviera? Die Kornpreise sind zwar in diesem Augenblicke wieder schlecht, aber was sein muß, muß sein. Ich werde mit meiner Frau darüber sprechen."
Das that er denn auch und fand sofort seiner Frau Zustimmung, deren in letzter Zeit -- wohl unter dem Eindruck zurückgezogenen Lebens -- stark erwachte Lust, auch mal den Süden zu sehen, seinem Vorschlage zu Hülfe kam. Aber Effi selbst wollte nichts davon wissen. "Wie gut Ihr gegen mich seid.
Th. Fontane, Effi Briest. 32
Effi Brieſt
Wieſike wiegte den Kopf langſam hin und her. „Das will ich nicht ſagen, Herr von Brieſt. Daß ſie ſo fiebert, gefällt mir nicht. Aber wir werden es ſchon wieder 'runter kriegen, dann muß ſie nach der Schweiz oder nach Mentone. Reine Luft und freundliche Eindrücke, die das Alte vergeſſen machen …“
„Lethe, Lethe.“
„Ja, Lethe,“ lächelte Wieſike. „Schade, daß uns die alten Schweden, die Griechen, bloß das Wort hinterlaſſen haben und nicht zugleich auch die Quelle ſelbſt …“
„Oder wenigſtens das Rezept dazu; Wäſſer werden ja jetzt nachgemacht. Alle Wetter, Wieſike, das wär' ein Geſchäft, wenn wir hier ſo ein Sanatorium anlegen könnten: Frieſack als Ver¬ geſſenheitsquelle. Nun, vorläufig wollen wir's mit der Riviera verſuchen. Mentone iſt ja wohl Riviera? Die Kornpreiſe ſind zwar in dieſem Augenblicke wieder ſchlecht, aber was ſein muß, muß ſein. Ich werde mit meiner Frau darüber ſprechen.“
Das that er denn auch und fand ſofort ſeiner Frau Zuſtimmung, deren in letzter Zeit — wohl unter dem Eindruck zurückgezogenen Lebens — ſtark erwachte Luſt, auch mal den Süden zu ſehen, ſeinem Vorſchlage zu Hülfe kam. Aber Effi ſelbſt wollte nichts davon wiſſen. „Wie gut Ihr gegen mich ſeid.
Th. Fontane, Effi Brieſt. 32
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0506"n="497"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw><p>Wieſike wiegte den Kopf langſam hin und her.<lb/>„Das will ich nicht ſagen, Herr von Brieſt. Daß ſie ſo<lb/>
fiebert, gefällt mir nicht. Aber wir werden es ſchon<lb/>
wieder 'runter kriegen, dann muß ſie nach der Schweiz<lb/>
oder nach Mentone. Reine Luft und freundliche<lb/>
Eindrücke, die das Alte vergeſſen machen …“</p><lb/><p>„Lethe, Lethe.“</p><lb/><p>„Ja, Lethe,“ lächelte Wieſike. „Schade, daß uns<lb/>
die alten Schweden, die Griechen, bloß das Wort<lb/>
hinterlaſſen haben und nicht zugleich auch die Quelle<lb/>ſelbſt …“</p><lb/><p>„Oder wenigſtens das Rezept dazu; Wäſſer<lb/>
werden ja jetzt nachgemacht. Alle Wetter, Wieſike,<lb/>
das wär' ein Geſchäft, wenn wir hier ſo ein<lb/>
Sanatorium anlegen könnten: Frieſack als Ver¬<lb/>
geſſenheitsquelle. Nun, vorläufig wollen wir's mit<lb/>
der Riviera verſuchen. Mentone iſt ja wohl Riviera?<lb/>
Die Kornpreiſe ſind zwar in dieſem Augenblicke wieder<lb/>ſchlecht, aber was ſein muß, muß ſein. Ich werde<lb/>
mit meiner Frau darüber ſprechen.“</p><lb/><p>Das that er denn auch und fand ſofort ſeiner<lb/>
Frau Zuſtimmung, deren in letzter Zeit — wohl<lb/>
unter dem Eindruck zurückgezogenen Lebens —ſtark<lb/>
erwachte Luſt, auch mal den Süden zu ſehen, ſeinem<lb/>
Vorſchlage zu Hülfe kam. Aber Effi ſelbſt wollte<lb/>
nichts davon wiſſen. „Wie gut Ihr gegen mich ſeid.<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Th</hi>. <hirendition="#g">Fontane</hi>, Effi Brieſt. 32<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[497/0506]
Effi Brieſt
Wieſike wiegte den Kopf langſam hin und her.
„Das will ich nicht ſagen, Herr von Brieſt. Daß ſie ſo
fiebert, gefällt mir nicht. Aber wir werden es ſchon
wieder 'runter kriegen, dann muß ſie nach der Schweiz
oder nach Mentone. Reine Luft und freundliche
Eindrücke, die das Alte vergeſſen machen …“
„Lethe, Lethe.“
„Ja, Lethe,“ lächelte Wieſike. „Schade, daß uns
die alten Schweden, die Griechen, bloß das Wort
hinterlaſſen haben und nicht zugleich auch die Quelle
ſelbſt …“
„Oder wenigſtens das Rezept dazu; Wäſſer
werden ja jetzt nachgemacht. Alle Wetter, Wieſike,
das wär' ein Geſchäft, wenn wir hier ſo ein
Sanatorium anlegen könnten: Frieſack als Ver¬
geſſenheitsquelle. Nun, vorläufig wollen wir's mit
der Riviera verſuchen. Mentone iſt ja wohl Riviera?
Die Kornpreiſe ſind zwar in dieſem Augenblicke wieder
ſchlecht, aber was ſein muß, muß ſein. Ich werde
mit meiner Frau darüber ſprechen.“
Das that er denn auch und fand ſofort ſeiner
Frau Zuſtimmung, deren in letzter Zeit — wohl
unter dem Eindruck zurückgezogenen Lebens — ſtark
erwachte Luſt, auch mal den Süden zu ſehen, ſeinem
Vorſchlage zu Hülfe kam. Aber Effi ſelbſt wollte
nichts davon wiſſen. „Wie gut Ihr gegen mich ſeid.
Th. Fontane, Effi Brieſt. 32
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/506>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.