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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Und bei diesem dritten "wenn ich darf" war
das Maß voll; Effi sprang auf, und ein Blick, in
dem es wie Empörung aufflammte, traf das Kind.
"Ich glaube, es ist die höchste Zeit, Annie; Johanna
wird sonst ungeduldig." Und sie zog die Klingel.
Roswitha, die schon im Nebenzimmer war, trat gleich
ein. "Roswitha, gieb Annie das Geleit bis drüben
zur Kirche. Johanna wartet da. Hoffentlich hat
sie sich nicht erkältet. Es sollte mir leid thun.
Grüße Johanna."

Und nun gingen beide.

Kaum aber, daß Roswitha draußen die Thür
ins Schloß gezogen hatte, so riß Effi, weil sie zu
ersticken drohte, ihr Kleid auf und verfiel in ein
krampfhaftes Lachen. "So also sieht ein Wiedersehen
aus," und dabei stürzte sie nach vorn, öffnete die
Fensterflügel und suchte nach etwas, das ihr beistehe.
Und sie fand auch 'was in der Not ihres Herzens.
Da neben dem Fenster war ein Bücherbrett, ein paar
Bände von Schiller und Körner darauf, und auf
den Gedichtbüchern, die alle gleiche Höhe hatten, lag
eine Bibel und ein Gesangbuch. Sie griff danach,
weil sie 'was haben mußte, vor dem sie knieen und
beten konnte, und legte Bibel und Gesangbuch auf
den Tischrand, gerade da, wo Annie gestanden hatte,
und mit einem heftigen Ruck warf sie sich davor

Effi Brieſt

Und bei dieſem dritten „wenn ich darf“ war
das Maß voll; Effi ſprang auf, und ein Blick, in
dem es wie Empörung aufflammte, traf das Kind.
„Ich glaube, es iſt die höchſte Zeit, Annie; Johanna
wird ſonſt ungeduldig.“ Und ſie zog die Klingel.
Roswitha, die ſchon im Nebenzimmer war, trat gleich
ein. „Roswitha, gieb Annie das Geleit bis drüben
zur Kirche. Johanna wartet da. Hoffentlich hat
ſie ſich nicht erkältet. Es ſollte mir leid thun.
Grüße Johanna.“

Und nun gingen beide.

Kaum aber, daß Roswitha draußen die Thür
ins Schloß gezogen hatte, ſo riß Effi, weil ſie zu
erſticken drohte, ihr Kleid auf und verfiel in ein
krampfhaftes Lachen. „So alſo ſieht ein Wiederſehen
aus,“ und dabei ſtürzte ſie nach vorn, öffnete die
Fenſterflügel und ſuchte nach etwas, das ihr beiſtehe.
Und ſie fand auch 'was in der Not ihres Herzens.
Da neben dem Fenſter war ein Bücherbrett, ein paar
Bände von Schiller und Körner darauf, und auf
den Gedichtbüchern, die alle gleiche Höhe hatten, lag
eine Bibel und ein Geſangbuch. Sie griff danach,
weil ſie 'was haben mußte, vor dem ſie knieen und
beten konnte, und legte Bibel und Geſangbuch auf
den Tiſchrand, gerade da, wo Annie geſtanden hatte,
und mit einem heftigen Ruck warf ſie ſich davor

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[482/0491] Effi Brieſt Und bei dieſem dritten „wenn ich darf“ war das Maß voll; Effi ſprang auf, und ein Blick, in dem es wie Empörung aufflammte, traf das Kind. „Ich glaube, es iſt die höchſte Zeit, Annie; Johanna wird ſonſt ungeduldig.“ Und ſie zog die Klingel. Roswitha, die ſchon im Nebenzimmer war, trat gleich ein. „Roswitha, gieb Annie das Geleit bis drüben zur Kirche. Johanna wartet da. Hoffentlich hat ſie ſich nicht erkältet. Es ſollte mir leid thun. Grüße Johanna.“ Und nun gingen beide. Kaum aber, daß Roswitha draußen die Thür ins Schloß gezogen hatte, ſo riß Effi, weil ſie zu erſticken drohte, ihr Kleid auf und verfiel in ein krampfhaftes Lachen. „So alſo ſieht ein Wiederſehen aus,“ und dabei ſtürzte ſie nach vorn, öffnete die Fenſterflügel und ſuchte nach etwas, das ihr beiſtehe. Und ſie fand auch 'was in der Not ihres Herzens. Da neben dem Fenſter war ein Bücherbrett, ein paar Bände von Schiller und Körner darauf, und auf den Gedichtbüchern, die alle gleiche Höhe hatten, lag eine Bibel und ein Geſangbuch. Sie griff danach, weil ſie 'was haben mußte, vor dem ſie knieen und beten konnte, und legte Bibel und Geſangbuch auf den Tiſchrand, gerade da, wo Annie geſtanden hatte, und mit einem heftigen Ruck warf ſie ſich davor

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/491>, abgerufen am 22.11.2024.