Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest Traurigste für uns und für Dich ist (auch für Dich,wie wir Dich zu kennen vermeinen) -- auch das elterliche Haus wird Dir verschlossen sein; wir können Dir keinen stillen Platz in Hohen-Cremmen anbieten, keine Zuflucht in unserem Hause, denn es hieße das, dies Haus von aller Welt abschließen, und das zu thun, sind wir entschieden nicht geneigt. Nicht weil wir zu sehr an der Welt hingen und ein Abschied¬ nehmen von dem, was sich ,Gesellschaft' nennt, uns als etwas unbedingt Unerträgliches erschiene; nein, nicht deshalb, sondern einfach weil wir Farbe bekennen, und vor aller Welt, ich kann Dir das Wort nicht ersparen, unsere Verurteilung Deines Thuns, des Thuns unseres einzigen und von uns so sehr geliebten Kindes aussprechen wollen ..." Effi konnte nicht weiter lesen; ihre Augen Nach einer halben Stunde klopfte es, und auf "Darf ich eintreten?" "Gewiß, liebe Geheimrätin," sagte Effi, die Effi Brieſt Traurigſte für uns und für Dich iſt (auch für Dich,wie wir Dich zu kennen vermeinen) — auch das elterliche Haus wird Dir verſchloſſen ſein; wir können Dir keinen ſtillen Platz in Hohen-Cremmen anbieten, keine Zuflucht in unſerem Hauſe, denn es hieße das, dies Haus von aller Welt abſchließen, und das zu thun, ſind wir entſchieden nicht geneigt. Nicht weil wir zu ſehr an der Welt hingen und ein Abſchied¬ nehmen von dem, was ſich ,Geſellſchaft‘ nennt, uns als etwas unbedingt Unerträgliches erſchiene; nein, nicht deshalb, ſondern einfach weil wir Farbe bekennen, und vor aller Welt, ich kann Dir das Wort nicht erſparen, unſere Verurteilung Deines Thuns, des Thuns unſeres einzigen und von uns ſo ſehr geliebten Kindes ausſprechen wollen …“ Effi konnte nicht weiter leſen; ihre Augen Nach einer halben Stunde klopfte es, und auf „Darf ich eintreten?“ „Gewiß, liebe Geheimrätin,“ ſagte Effi, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0457" n="448"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> Traurigſte für uns und für Dich iſt (auch für Dich,<lb/> wie wir Dich zu kennen vermeinen) — auch das<lb/> elterliche Haus wird Dir verſchloſſen ſein; wir können<lb/> Dir keinen ſtillen Platz in Hohen-Cremmen anbieten,<lb/> keine Zuflucht in unſerem Hauſe, denn es hieße das,<lb/> dies Haus von aller Welt abſchließen, und das zu<lb/> thun, ſind wir entſchieden nicht geneigt. Nicht weil<lb/> wir zu ſehr an der Welt hingen und ein Abſchied¬<lb/> nehmen von dem, was ſich ,Geſellſchaft‘ nennt, uns<lb/> als etwas unbedingt Unerträgliches erſchiene; nein,<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi> deshalb, ſondern einfach weil wir Farbe bekennen,<lb/> und vor aller Welt, ich kann Dir das Wort nicht<lb/> erſparen, unſere Verurteilung Deines Thuns, des<lb/> Thuns unſeres einzigen und von uns ſo ſehr geliebten<lb/> Kindes ausſprechen wollen …“</p><lb/> <p>Effi konnte nicht weiter leſen; ihre Augen<lb/> füllten ſich mit Thränen, und nachdem ſie vergeblich<lb/> dagegen angekämpft hatte, brach ſie zuletzt in ein<lb/> heftiges Schluchzen und Weinen aus, darin ſich ihr<lb/> Herz erleichterte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Nach einer halben Stunde klopfte es, und auf<lb/> Effi's „Herein“ erſchien die Geheimrätin.</p><lb/> <p>„Darf ich eintreten?“</p><lb/> <p>„Gewiß, liebe Geheimrätin,“ ſagte Effi, die<lb/> jetzt, leicht zugedeckt und die Hände gefaltet, auf dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [448/0457]
Effi Brieſt
Traurigſte für uns und für Dich iſt (auch für Dich,
wie wir Dich zu kennen vermeinen) — auch das
elterliche Haus wird Dir verſchloſſen ſein; wir können
Dir keinen ſtillen Platz in Hohen-Cremmen anbieten,
keine Zuflucht in unſerem Hauſe, denn es hieße das,
dies Haus von aller Welt abſchließen, und das zu
thun, ſind wir entſchieden nicht geneigt. Nicht weil
wir zu ſehr an der Welt hingen und ein Abſchied¬
nehmen von dem, was ſich ,Geſellſchaft‘ nennt, uns
als etwas unbedingt Unerträgliches erſchiene; nein,
nicht deshalb, ſondern einfach weil wir Farbe bekennen,
und vor aller Welt, ich kann Dir das Wort nicht
erſparen, unſere Verurteilung Deines Thuns, des
Thuns unſeres einzigen und von uns ſo ſehr geliebten
Kindes ausſprechen wollen …“
Effi konnte nicht weiter leſen; ihre Augen
füllten ſich mit Thränen, und nachdem ſie vergeblich
dagegen angekämpft hatte, brach ſie zuletzt in ein
heftiges Schluchzen und Weinen aus, darin ſich ihr
Herz erleichterte.
Nach einer halben Stunde klopfte es, und auf
Effi's „Herein“ erſchien die Geheimrätin.
„Darf ich eintreten?“
„Gewiß, liebe Geheimrätin,“ ſagte Effi, die
jetzt, leicht zugedeckt und die Hände gefaltet, auf dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |