mich diese Afra ganz ungemein an die stattliche Person erinnert, die ich in Ihrem Hause ..."
"Ja, Sie haben recht. Es ist eine Ähnlichkeit da. Nur unser Berliner Hausmädchen ist doch er¬ heblich hübscher und namentlich ihr Haar viel schöner und voller. Ich habe so schönes flachsenes Haar, wie unsere Johanna hat, überhaupt noch nicht ge¬ sehen. Ein bißchen davon sieht man ja wohl, aber solche Fülle ..."
Die Zwicker lächelte. "Das ist wirklich selten, daß man eine junge Frau mit solcher Begeisterung von dem flachsenen Haar ihres Hausmädchens sprechen hört. Und nun auch noch von der Fülle! Wissen Sie, daß ich das rührend finde. Denn eigentlich ist man doch bei der Wahl der Mädchen in einer be¬ ständigen Verlegenheit. Hübsch sollen sie sein, weil es jeden Besucher, wenigstens die Männer, stört, eine lange Stakete mit griesem Teint und schwarzen Rändern in der Thüröffnung erscheinen zu sehen, und ein wahres Glück, daß die Korridore meistens so dunkel sind. Aber nimmt man wieder zu viel Rücksicht auf solche Hausrepräsentation und den so¬ genannten ersten Eindruck und schenkt man wohl gar noch einer solchen hübschen Person eine weiße Tändelschürze nach der andern, so hat man eigentlich keine ruhige Stunde mehr und fragt sich, wenn man
Effi Brieſt
mich dieſe Afra ganz ungemein an die ſtattliche Perſon erinnert, die ich in Ihrem Hauſe …“
„Ja, Sie haben recht. Es iſt eine Ähnlichkeit da. Nur unſer Berliner Hausmädchen iſt doch er¬ heblich hübſcher und namentlich ihr Haar viel ſchöner und voller. Ich habe ſo ſchönes flachſenes Haar, wie unſere Johanna hat, überhaupt noch nicht ge¬ ſehen. Ein bißchen davon ſieht man ja wohl, aber ſolche Fülle …“
Die Zwicker lächelte. „Das iſt wirklich ſelten, daß man eine junge Frau mit ſolcher Begeiſterung von dem flachſenen Haar ihres Hausmädchens ſprechen hört. Und nun auch noch von der Fülle! Wiſſen Sie, daß ich das rührend finde. Denn eigentlich iſt man doch bei der Wahl der Mädchen in einer be¬ ſtändigen Verlegenheit. Hübſch ſollen ſie ſein, weil es jeden Beſucher, wenigſtens die Männer, ſtört, eine lange Stakete mit grieſem Teint und ſchwarzen Rändern in der Thüröffnung erſcheinen zu ſehen, und ein wahres Glück, daß die Korridore meiſtens ſo dunkel ſind. Aber nimmt man wieder zu viel Rückſicht auf ſolche Hausrepräſentation und den ſo¬ genannten erſten Eindruck und ſchenkt man wohl gar noch einer ſolchen hübſchen Perſon eine weiße Tändelſchürze nach der andern, ſo hat man eigentlich keine ruhige Stunde mehr und fragt ſich, wenn man
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Effi Brieſt
mich dieſe Afra ganz ungemein an die ſtattliche Perſon
erinnert, die ich in Ihrem Hauſe …“
„Ja, Sie haben recht. Es iſt eine Ähnlichkeit
da. Nur unſer Berliner Hausmädchen iſt doch er¬
heblich hübſcher und namentlich ihr Haar viel ſchöner
und voller. Ich habe ſo ſchönes flachſenes Haar,
wie unſere Johanna hat, überhaupt noch nicht ge¬
ſehen. Ein bißchen davon ſieht man ja wohl, aber
ſolche Fülle …“
Die Zwicker lächelte. „Das iſt wirklich ſelten,
daß man eine junge Frau mit ſolcher Begeiſterung
von dem flachſenen Haar ihres Hausmädchens ſprechen
hört. Und nun auch noch von der Fülle! Wiſſen
Sie, daß ich das rührend finde. Denn eigentlich iſt
man doch bei der Wahl der Mädchen in einer be¬
ſtändigen Verlegenheit. Hübſch ſollen ſie ſein, weil
es jeden Beſucher, wenigſtens die Männer, ſtört,
eine lange Stakete mit grieſem Teint und ſchwarzen
Rändern in der Thüröffnung erſcheinen zu ſehen,
und ein wahres Glück, daß die Korridore meiſtens
ſo dunkel ſind. Aber nimmt man wieder zu viel
Rückſicht auf ſolche Hausrepräſentation und den ſo¬
genannten erſten Eindruck und ſchenkt man wohl
gar noch einer ſolchen hübſchen Perſon eine weiße
Tändelſchürze nach der andern, ſo hat man eigentlich
keine ruhige Stunde mehr und fragt ſich, wenn man
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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