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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Schönheitspunkt ausgesucht zu haben. Er hatte immer
die Allüren dazu. Wie benahm er sich?"

"Wundervoll."

"Übermütig? frivol?"

"Nicht das eine und nicht das andere. Ich be¬
kenne Ihnen offen, Innstetten, daß es mich erschütterte.
Als ich Ihren Namen nannte, wurde er totenblaß
und rang nach Fassung, und um seine Mundwinkel
sah ich ein Zittern. Aber all' das dauerte nur einen
Augenblick, dann hatte er sich wieder gefaßt, und
von da ab war alles an ihm wehmütige Resignation.
Es ist mir ganz sicher, er hat das Gefühl, aus der
Sache nicht heil herauszukommen, und will auch
nicht. Wenn ich ihn richtig beurteile, er lebt gern
und ist zugleich gleichgültig gegen das Leben. Er
nimmt alles mit und weiß doch, daß es nicht viel
damit ist."

"Wer wird ihm sekundieren? Oder sag' ich
lieber, wen wird er mitbringen?"

"Das war, als er sich wieder gefunden hatte,
seine Hauptsorge. Er nannte zwei, drei Adlige aus
der Nähe, ließ sie dann aber wieder fallen, sie seien
zu alt und zu fromm, er werde nach Treptow hin
telegraphieren an seinen Freund Buddenbrook. Und
der ist auch gekommen, famoser Mann, schneidig und
doch zugleich wie ein Kind. Er konnte sich nicht

27 *

Effi Brieſt
Schönheitspunkt ausgeſucht zu haben. Er hatte immer
die Allüren dazu. Wie benahm er ſich?“

„Wundervoll.“

„Übermütig? frivol?“

„Nicht das eine und nicht das andere. Ich be¬
kenne Ihnen offen, Innſtetten, daß es mich erſchütterte.
Als ich Ihren Namen nannte, wurde er totenblaß
und rang nach Faſſung, und um ſeine Mundwinkel
ſah ich ein Zittern. Aber all' das dauerte nur einen
Augenblick, dann hatte er ſich wieder gefaßt, und
von da ab war alles an ihm wehmütige Reſignation.
Es iſt mir ganz ſicher, er hat das Gefühl, aus der
Sache nicht heil herauszukommen, und will auch
nicht. Wenn ich ihn richtig beurteile, er lebt gern
und iſt zugleich gleichgültig gegen das Leben. Er
nimmt alles mit und weiß doch, daß es nicht viel
damit iſt.“

„Wer wird ihm ſekundieren? Oder ſag' ich
lieber, wen wird er mitbringen?“

„Das war, als er ſich wieder gefunden hatte,
ſeine Hauptſorge. Er nannte zwei, drei Adlige aus
der Nähe, ließ ſie dann aber wieder fallen, ſie ſeien
zu alt und zu fromm, er werde nach Treptow hin
telegraphieren an ſeinen Freund Buddenbrook. Und
der iſt auch gekommen, famoſer Mann, ſchneidig und
doch zugleich wie ein Kind. Er konnte ſich nicht

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[419/0428] Effi Brieſt Schönheitspunkt ausgeſucht zu haben. Er hatte immer die Allüren dazu. Wie benahm er ſich?“ „Wundervoll.“ „Übermütig? frivol?“ „Nicht das eine und nicht das andere. Ich be¬ kenne Ihnen offen, Innſtetten, daß es mich erſchütterte. Als ich Ihren Namen nannte, wurde er totenblaß und rang nach Faſſung, und um ſeine Mundwinkel ſah ich ein Zittern. Aber all' das dauerte nur einen Augenblick, dann hatte er ſich wieder gefaßt, und von da ab war alles an ihm wehmütige Reſignation. Es iſt mir ganz ſicher, er hat das Gefühl, aus der Sache nicht heil herauszukommen, und will auch nicht. Wenn ich ihn richtig beurteile, er lebt gern und iſt zugleich gleichgültig gegen das Leben. Er nimmt alles mit und weiß doch, daß es nicht viel damit iſt.“ „Wer wird ihm ſekundieren? Oder ſag' ich lieber, wen wird er mitbringen?“ „Das war, als er ſich wieder gefunden hatte, ſeine Hauptſorge. Er nannte zwei, drei Adlige aus der Nähe, ließ ſie dann aber wieder fallen, ſie ſeien zu alt und zu fromm, er werde nach Treptow hin telegraphieren an ſeinen Freund Buddenbrook. Und der iſt auch gekommen, famoſer Mann, ſchneidig und doch zugleich wie ein Kind. Er konnte ſich nicht 27 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/428>, abgerufen am 22.11.2024.