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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ich habe mich gestern früh hier einquartiert,"
sagte Wüllersdorf, der nicht gleich mit den Sachlich¬
keiten beginnen wollte. "Wenn man bedenkt, daß
Kessin ein Nest ist, ist es erstaunlich, ein so
gutes Hotel hier zu finden. Ich bezweifle nicht,
daß mein Freund, der Oberkellner, drei Sprachen
spricht; seinem Scheitel und seiner ausgeschnittnen
Weste nach können wir dreist auf vier rechnen ...
Jean, bitte, wollen Sie uns Kaffee und Cognac
bringen."

Innstetten begriff vollkommen, warum Wüllers¬
dorf diesen Ton anschlug, war auch damit einverstanden,
konnte aber seiner Unruhe nicht ganz Herr werden
und zog unwillkürlich die Uhr.

"Wir haben Zeit," sagte Wüllersdorf. "Noch
anderthalb Stunden oder doch beinah. Ich habe den
Wagen auf 81/4 bestellt; wir fahren nicht länger als
zehn Minuten."

"Und wo?"

"Crampas schlug erst ein Waldeck vor, gleich
hinter dem Kirchhof. Aber dann unterbrach er sich
und sagte: ,Nein, da nicht.' Und dann haben wir
uns über eine Stelle zwischen den Dünen geeinigt.
Hart am Strand; die vorderste Düne hat einen
Einschnitt, und man sieht aufs Meer."

Innstetten lächelte. "Crampas scheint sich einen

Effi Brieſt

„Ich habe mich geſtern früh hier einquartiert,“
ſagte Wüllersdorf, der nicht gleich mit den Sachlich¬
keiten beginnen wollte. „Wenn man bedenkt, daß
Keſſin ein Neſt iſt, iſt es erſtaunlich, ein ſo
gutes Hotel hier zu finden. Ich bezweifle nicht,
daß mein Freund, der Oberkellner, drei Sprachen
ſpricht; ſeinem Scheitel und ſeiner ausgeſchnittnen
Weſte nach können wir dreiſt auf vier rechnen …
Jean, bitte, wollen Sie uns Kaffee und Cognac
bringen.“

Innſtetten begriff vollkommen, warum Wüllers¬
dorf dieſen Ton anſchlug, war auch damit einverſtanden,
konnte aber ſeiner Unruhe nicht ganz Herr werden
und zog unwillkürlich die Uhr.

„Wir haben Zeit,“ ſagte Wüllersdorf. „Noch
anderthalb Stunden oder doch beinah. Ich habe den
Wagen auf 8¼ beſtellt; wir fahren nicht länger als
zehn Minuten.“

„Und wo?“

„Crampas ſchlug erſt ein Waldeck vor, gleich
hinter dem Kirchhof. Aber dann unterbrach er ſich
und ſagte: ,Nein, da nicht.‘ Und dann haben wir
uns über eine Stelle zwiſchen den Dünen geeinigt.
Hart am Strand; die vorderſte Düne hat einen
Einſchnitt, und man ſieht aufs Meer.“

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[418/0427] Effi Brieſt „Ich habe mich geſtern früh hier einquartiert,“ ſagte Wüllersdorf, der nicht gleich mit den Sachlich¬ keiten beginnen wollte. „Wenn man bedenkt, daß Keſſin ein Neſt iſt, iſt es erſtaunlich, ein ſo gutes Hotel hier zu finden. Ich bezweifle nicht, daß mein Freund, der Oberkellner, drei Sprachen ſpricht; ſeinem Scheitel und ſeiner ausgeſchnittnen Weſte nach können wir dreiſt auf vier rechnen … Jean, bitte, wollen Sie uns Kaffee und Cognac bringen.“ Innſtetten begriff vollkommen, warum Wüllers¬ dorf dieſen Ton anſchlug, war auch damit einverſtanden, konnte aber ſeiner Unruhe nicht ganz Herr werden und zog unwillkürlich die Uhr. „Wir haben Zeit,“ ſagte Wüllersdorf. „Noch anderthalb Stunden oder doch beinah. Ich habe den Wagen auf 8¼ beſtellt; wir fahren nicht länger als zehn Minuten.“ „Und wo?“ „Crampas ſchlug erſt ein Waldeck vor, gleich hinter dem Kirchhof. Aber dann unterbrach er ſich und ſagte: ,Nein, da nicht.‘ Und dann haben wir uns über eine Stelle zwiſchen den Dünen geeinigt. Hart am Strand; die vorderſte Düne hat einen Einſchnitt, und man ſieht aufs Meer.“ Innſtetten lächelte. „Crampas ſcheint ſich einen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/427>, abgerufen am 25.11.2024.