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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
ganzen. Und weil dieser Mitwisser da ist, kann ich
nicht mehr zurück."

"Ich weiß doch nicht," wiederholte Wüllersdorf.
"Ich mag nicht gerne zu der alten abgestandenen
Phrase greifen, aber doch läßt sich's nicht besser
sagen: Innstetten, es ruht alles in mir wie in einem
Grabe."

"Ja, Wüllersdorf, so heißt es immer. Aber es
giebt keine Verschwiegenheit. Und wenn Sie's wahr
machen und gegen andere die Verschwiegenheit selber
sind, so wissen Sie es, und es rettet mich nicht vor
Ihnen, daß Sie mir eben Ihre Zustimmung aus¬
gedrückt und mir sogar gesagt haben: ich kann Ihnen
in allem folgen. Ich bin, und dabei bleibt es, von
diesem Augenblicke an ein Gegenstand Ihrer Teil¬
nahme (schon nicht etwas sehr Angenehmes), und
jedes Wort, das Sie mich mit meiner Frau wechseln
hören, unterliegt Ihrer Kontrolle, Sie mögen wollen
oder nicht, und wenn meine Frau von Treue spricht
oder, wie Frauen thun, über eine andere zu Gericht
sitzt, so weiß ich nicht, wo ich mit meinen Blicken
hin soll. Und ereignet sich's gar, daß ich in irgend
einer ganz alltäglichen Beleidigungssache zum guten
rede, ,weil ja der dolus fehle' oder so 'was Ähn¬
liches, so geht ein Lächeln über Ihr Gesicht, oder
es zuckt wenigstens darin, und in Ihrer Seele klingt

Effi Brieſt
ganzen. Und weil dieſer Mitwiſſer da iſt, kann ich
nicht mehr zurück.“

„Ich weiß doch nicht,“ wiederholte Wüllersdorf.
„Ich mag nicht gerne zu der alten abgeſtandenen
Phraſe greifen, aber doch läßt ſich's nicht beſſer
ſagen: Innſtetten, es ruht alles in mir wie in einem
Grabe.“

„Ja, Wüllersdorf, ſo heißt es immer. Aber es
giebt keine Verſchwiegenheit. Und wenn Sie's wahr
machen und gegen andere die Verſchwiegenheit ſelber
ſind, ſo wiſſen Sie es, und es rettet mich nicht vor
Ihnen, daß Sie mir eben Ihre Zuſtimmung aus¬
gedrückt und mir ſogar geſagt haben: ich kann Ihnen
in allem folgen. Ich bin, und dabei bleibt es, von
dieſem Augenblicke an ein Gegenſtand Ihrer Teil¬
nahme (ſchon nicht etwas ſehr Angenehmes), und
jedes Wort, das Sie mich mit meiner Frau wechſeln
hören, unterliegt Ihrer Kontrolle, Sie mögen wollen
oder nicht, und wenn meine Frau von Treue ſpricht
oder, wie Frauen thun, über eine andere zu Gericht
ſitzt, ſo weiß ich nicht, wo ich mit meinen Blicken
hin ſoll. Und ereignet ſich's gar, daß ich in irgend
einer ganz alltäglichen Beleidigungsſache zum guten
rede, ,weil ja der dolus fehle‘ oder ſo 'was Ähn¬
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[414/0423] Effi Brieſt ganzen. Und weil dieſer Mitwiſſer da iſt, kann ich nicht mehr zurück.“ „Ich weiß doch nicht,“ wiederholte Wüllersdorf. „Ich mag nicht gerne zu der alten abgeſtandenen Phraſe greifen, aber doch läßt ſich's nicht beſſer ſagen: Innſtetten, es ruht alles in mir wie in einem Grabe.“ „Ja, Wüllersdorf, ſo heißt es immer. Aber es giebt keine Verſchwiegenheit. Und wenn Sie's wahr machen und gegen andere die Verſchwiegenheit ſelber ſind, ſo wiſſen Sie es, und es rettet mich nicht vor Ihnen, daß Sie mir eben Ihre Zuſtimmung aus¬ gedrückt und mir ſogar geſagt haben: ich kann Ihnen in allem folgen. Ich bin, und dabei bleibt es, von dieſem Augenblicke an ein Gegenſtand Ihrer Teil¬ nahme (ſchon nicht etwas ſehr Angenehmes), und jedes Wort, das Sie mich mit meiner Frau wechſeln hören, unterliegt Ihrer Kontrolle, Sie mögen wollen oder nicht, und wenn meine Frau von Treue ſpricht oder, wie Frauen thun, über eine andere zu Gericht ſitzt, ſo weiß ich nicht, wo ich mit meinen Blicken hin ſoll. Und ereignet ſich's gar, daß ich in irgend einer ganz alltäglichen Beleidigungsſache zum guten rede, ,weil ja der dolus fehle‘ oder ſo 'was Ähn¬ liches, ſo geht ein Lächeln über Ihr Geſicht, oder es zuckt wenigſtens darin, und in Ihrer Seele klingt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/423>, abgerufen am 22.11.2024.