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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
zu sein, wobei sie das Überlegenheitsbewußtsein über
die halb bäuerisch gebliebene Roswitha in einem so
hohen Maße hatte, daß sie, was gelegentlich vorkam,
die momentan bevorzugte Stellung dieser nur be¬
lächelte. Diese Bevorzugung, -- nun ja, wenn's
dann 'mal so sein sollte, war eine kleine liebens¬
würdige Sonderbarkeit der gnädigen Frau, die man
der guten alten Roswitha mit ihrer ewigen Geschichte
"von dem Vater mit der glühenden Eisenstange" schon
gönnen konnte. "Wenn man sich besser hält, so kann
dergleichen nicht vorkommen." Das alles dachte sie,
sprach's aber nicht aus. Es war eben ein freund¬
liches Miteinanderleben. Was aber wohl ganz
besonders für Frieden und gutes Einvernehmen
sorgte, das war der Umstand, daß man sich, nach
einem stillen Übereinkommen, in die Behandlung
und fast auch Erziehung Annie's geteilt hatte.
Roswitha hatte das poetische Departement, die
Märchen- und Geschichtenerzählung, Johanna da¬
gegen das des Anstands, eine Teilung, die hüben
und drüben so fest gewurzelt stand, daß Kompetenz¬
konflikte kaum vorkamen, wobei der Charakter Annie's,
die eine ganz entschiedene Neigung hatte, das vor¬
nehme Fräulein zu betonen, allerdings mithalf, eine
Rolle, bei der sie keine bessere Lehrerin als Johanna
haben konnte.

Effi Brieſt
zu ſein, wobei ſie das Überlegenheitsbewußtſein über
die halb bäueriſch gebliebene Roswitha in einem ſo
hohen Maße hatte, daß ſie, was gelegentlich vorkam,
die momentan bevorzugte Stellung dieſer nur be¬
lächelte. Dieſe Bevorzugung, — nun ja, wenn's
dann 'mal ſo ſein ſollte, war eine kleine liebens¬
würdige Sonderbarkeit der gnädigen Frau, die man
der guten alten Roswitha mit ihrer ewigen Geſchichte
„von dem Vater mit der glühenden Eiſenſtange“ ſchon
gönnen konnte. „Wenn man ſich beſſer hält, ſo kann
dergleichen nicht vorkommen.“ Das alles dachte ſie,
ſprach's aber nicht aus. Es war eben ein freund¬
liches Miteinanderleben. Was aber wohl ganz
beſonders für Frieden und gutes Einvernehmen
ſorgte, das war der Umſtand, daß man ſich, nach
einem ſtillen Übereinkommen, in die Behandlung
und faſt auch Erziehung Annie's geteilt hatte.
Roswitha hatte das poetiſche Departement, die
Märchen- und Geſchichtenerzählung, Johanna da¬
gegen das des Anſtands, eine Teilung, die hüben
und drüben ſo feſt gewurzelt ſtand, daß Kompetenz¬
konflikte kaum vorkamen, wobei der Charakter Annie's,
die eine ganz entſchiedene Neigung hatte, das vor¬
nehme Fräulein zu betonen, allerdings mithalf, eine
Rolle, bei der ſie keine beſſere Lehrerin als Johanna
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[396/0405] Effi Brieſt zu ſein, wobei ſie das Überlegenheitsbewußtſein über die halb bäueriſch gebliebene Roswitha in einem ſo hohen Maße hatte, daß ſie, was gelegentlich vorkam, die momentan bevorzugte Stellung dieſer nur be¬ lächelte. Dieſe Bevorzugung, — nun ja, wenn's dann 'mal ſo ſein ſollte, war eine kleine liebens¬ würdige Sonderbarkeit der gnädigen Frau, die man der guten alten Roswitha mit ihrer ewigen Geſchichte „von dem Vater mit der glühenden Eiſenſtange“ ſchon gönnen konnte. „Wenn man ſich beſſer hält, ſo kann dergleichen nicht vorkommen.“ Das alles dachte ſie, ſprach's aber nicht aus. Es war eben ein freund¬ liches Miteinanderleben. Was aber wohl ganz beſonders für Frieden und gutes Einvernehmen ſorgte, das war der Umſtand, daß man ſich, nach einem ſtillen Übereinkommen, in die Behandlung und faſt auch Erziehung Annie's geteilt hatte. Roswitha hatte das poetiſche Departement, die Märchen- und Geſchichtenerzählung, Johanna da¬ gegen das des Anſtands, eine Teilung, die hüben und drüben ſo feſt gewurzelt ſtand, daß Kompetenz¬ konflikte kaum vorkamen, wobei der Charakter Annie's, die eine ganz entſchiedene Neigung hatte, das vor¬ nehme Fräulein zu betonen, allerdings mithalf, eine Rolle, bei der ſie keine beſſere Lehrerin als Johanna haben konnte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/405>, abgerufen am 25.11.2024.