Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
gestreckten Dorfes, dessen Name sie heute früh so
sehr erschreckt hatte.

Innstetten, wenn auch ohne Wissen und Ahnung
dessen, was in ihr vorging, sah doch deutlich, daß es
ihr an aller Lust und Freude gebrach. "Es thut mir
leid, Effi, daß Du der Sache hier nicht recht froh
wirst. Du kannst den Herthasee nicht vergessen und
noch weniger die Steine."

Sie nickte. "Es ist so wie Du sagst. Und
ich muß Dir bekennen, ich habe nichts in meinem
Leben gesehen, was mich so traurig gestimmt hätte.
Wir wollen das Wohnungssuchen ganz aufgeben;
ich kann hier nicht bleiben."

"Und gestern war es Dir noch der Golf von
Neapel und alles mögliche Schöne."

"Ja, gestern."

"Und heute? Heute keine Spur mehr von Sorrent?"

"Eine Spur noch, aber auch nur eine Spur;
es ist Sorrent, als ob es sterben wollte."

"Gut dann, Effi," sagte Innstetten und reichte
ihr die Hand. "Ich will Dich mit Rügen nicht
quälen, und so geben wir's denn auf. Abgemacht.
Es ist nicht nötig, daß wir uns an Stubbenkammer
anklammern oder an Saßnitz oder da weiter hinunter.
Aber wohin?"

"Ich denke, wir bleiben noch einen Tag und

Th. Fontane, Effi Briest. 24

Effi Brieſt
geſtreckten Dorfes, deſſen Name ſie heute früh ſo
ſehr erſchreckt hatte.

Innſtetten, wenn auch ohne Wiſſen und Ahnung
deſſen, was in ihr vorging, ſah doch deutlich, daß es
ihr an aller Luſt und Freude gebrach. „Es thut mir
leid, Effi, daß Du der Sache hier nicht recht froh
wirſt. Du kannſt den Herthaſee nicht vergeſſen und
noch weniger die Steine.“

Sie nickte. „Es iſt ſo wie Du ſagſt. Und
ich muß Dir bekennen, ich habe nichts in meinem
Leben geſehen, was mich ſo traurig geſtimmt hätte.
Wir wollen das Wohnungsſuchen ganz aufgeben;
ich kann hier nicht bleiben.“

„Und geſtern war es Dir noch der Golf von
Neapel und alles mögliche Schöne.“

„Ja, geſtern.“

„Und heute? Heute keine Spur mehr von Sorrent?“

„Eine Spur noch, aber auch nur eine Spur;
es iſt Sorrent, als ob es ſterben wollte.“

„Gut dann, Effi,“ ſagte Innſtetten und reichte
ihr die Hand. „Ich will Dich mit Rügen nicht
quälen, und ſo geben wir's denn auf. Abgemacht.
Es iſt nicht nötig, daß wir uns an Stubbenkammer
anklammern oder an Saßnitz oder da weiter hinunter.
Aber wohin?“

„Ich denke, wir bleiben noch einen Tag und

Th. Fontane, Effi Brieſt. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0378" n="369"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> ge&#x017F;treckten Dorfes, de&#x017F;&#x017F;en Name &#x017F;ie heute früh &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr er&#x017F;chreckt hatte.</p><lb/>
        <p>Inn&#x017F;tetten, wenn auch ohne Wi&#x017F;&#x017F;en und Ahnung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en, was in ihr vorging, &#x017F;ah doch deutlich, daß es<lb/>
ihr an aller Lu&#x017F;t und Freude gebrach. &#x201E;Es thut mir<lb/>
leid, Effi, daß Du der Sache hier nicht recht froh<lb/>
wir&#x017F;t. Du kann&#x017F;t den Hertha&#x017F;ee nicht verge&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
noch weniger die Steine.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie nickte. &#x201E;Es i&#x017F;t &#x017F;o wie Du &#x017F;ag&#x017F;t. Und<lb/>
ich muß Dir bekennen, ich habe nichts in meinem<lb/>
Leben ge&#x017F;ehen, was mich &#x017F;o traurig ge&#x017F;timmt hätte.<lb/>
Wir wollen das Wohnungs&#x017F;uchen ganz aufgeben;<lb/>
ich kann hier nicht bleiben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und ge&#x017F;tern war es Dir noch der Golf von<lb/>
Neapel und alles mögliche Schöne.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ge&#x017F;tern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und heute? Heute keine Spur mehr von Sorrent?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Spur noch, aber auch nur eine Spur;<lb/>
es i&#x017F;t Sorrent, als ob es &#x017F;terben wollte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gut dann, Effi,&#x201C; &#x017F;agte Inn&#x017F;tetten und reichte<lb/>
ihr die Hand. &#x201E;Ich will Dich mit Rügen nicht<lb/>
quälen, und &#x017F;o geben wir's denn auf. Abgemacht.<lb/>
Es i&#x017F;t nicht nötig, daß wir uns an Stubbenkammer<lb/>
anklammern oder an Saßnitz oder da weiter hinunter.<lb/>
Aber wohin?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich denke, wir bleiben noch einen Tag und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Th</hi>. <hi rendition="#g">Fontane</hi>, Effi Brie&#x017F;t. 24<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0378] Effi Brieſt geſtreckten Dorfes, deſſen Name ſie heute früh ſo ſehr erſchreckt hatte. Innſtetten, wenn auch ohne Wiſſen und Ahnung deſſen, was in ihr vorging, ſah doch deutlich, daß es ihr an aller Luſt und Freude gebrach. „Es thut mir leid, Effi, daß Du der Sache hier nicht recht froh wirſt. Du kannſt den Herthaſee nicht vergeſſen und noch weniger die Steine.“ Sie nickte. „Es iſt ſo wie Du ſagſt. Und ich muß Dir bekennen, ich habe nichts in meinem Leben geſehen, was mich ſo traurig geſtimmt hätte. Wir wollen das Wohnungsſuchen ganz aufgeben; ich kann hier nicht bleiben.“ „Und geſtern war es Dir noch der Golf von Neapel und alles mögliche Schöne.“ „Ja, geſtern.“ „Und heute? Heute keine Spur mehr von Sorrent?“ „Eine Spur noch, aber auch nur eine Spur; es iſt Sorrent, als ob es ſterben wollte.“ „Gut dann, Effi,“ ſagte Innſtetten und reichte ihr die Hand. „Ich will Dich mit Rügen nicht quälen, und ſo geben wir's denn auf. Abgemacht. Es iſt nicht nötig, daß wir uns an Stubbenkammer anklammern oder an Saßnitz oder da weiter hinunter. Aber wohin?“ „Ich denke, wir bleiben noch einen Tag und Th. Fontane, Effi Brieſt. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/378
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/378>, abgerufen am 25.11.2024.