Läden, aß bei Hiller und war bei guter Zeit wieder zu Haus. Es war ein gelungenes Beisammensein gewesen, Innstetten herzlich froh, das großstädtische Leben wieder mitmachen und auf sich wirken lassen zu können. Tags darauf, am 1. April, begab er sich in das Kanzlerpalais, um sich einzuschreiben (eine persönliche Gratulation unterließ er aus Rücksicht), und ging dann aufs Ministerium, um sich da zu melden. Er wurde auch angenommen, trotzdem es ein geschäftlich und gesellschaftlich sehr unruhiger Tag war, ja, sah sich seitens seines Chefs durch be¬ sonders entgegenkommende Liebenswürdigkeit aus¬ gezeichnet. "Er wisse, was er an ihm habe und sei sicher, ihr Einvernehmen nie gestört zu sehen."
Auch im Hause gestaltete sich alles zum guten. Ein aufrichtiges Bedauern war es für Effi, die Mama, nachdem diese, wie gleich anfänglich vermutet, fast sechs Wochen lang in Kur gewesen, nach Hohen- Cremmen zurückkehren zu sehen, ein Bedauern, das nur dadurch einigermaßen gemildert wurde, daß sich Johanna denselben Tag noch in Berlin einstellte. Das war immerhin 'was, und wenn die hübsche Blondine dem Herzen Effi's auch nicht ganz so nahe stand wie die ganz selbstsuchtslose und unendlich gut¬ mütige Roswitha, so war sie doch gleichmäßig an¬ gesehen, ebenso bei Innstetten wie bei ihrer jungen
Effi Brieſt
Läden, aß bei Hiller und war bei guter Zeit wieder zu Haus. Es war ein gelungenes Beiſammenſein geweſen, Innſtetten herzlich froh, das großſtädtiſche Leben wieder mitmachen und auf ſich wirken laſſen zu können. Tags darauf, am 1. April, begab er ſich in das Kanzlerpalais, um ſich einzuſchreiben (eine perſönliche Gratulation unterließ er aus Rückſicht), und ging dann aufs Miniſterium, um ſich da zu melden. Er wurde auch angenommen, trotzdem es ein geſchäftlich und geſellſchaftlich ſehr unruhiger Tag war, ja, ſah ſich ſeitens ſeines Chefs durch be¬ ſonders entgegenkommende Liebenswürdigkeit aus¬ gezeichnet. „Er wiſſe, was er an ihm habe und ſei ſicher, ihr Einvernehmen nie geſtört zu ſehen.“
Auch im Hauſe geſtaltete ſich alles zum guten. Ein aufrichtiges Bedauern war es für Effi, die Mama, nachdem dieſe, wie gleich anfänglich vermutet, faſt ſechs Wochen lang in Kur geweſen, nach Hohen- Cremmen zurückkehren zu ſehen, ein Bedauern, das nur dadurch einigermaßen gemildert wurde, daß ſich Johanna denſelben Tag noch in Berlin einſtellte. Das war immerhin 'was, und wenn die hübſche Blondine dem Herzen Effi's auch nicht ganz ſo nahe ſtand wie die ganz ſelbſtſuchtsloſe und unendlich gut¬ mütige Roswitha, ſo war ſie doch gleichmäßig an¬ geſehen, ebenſo bei Innſtetten wie bei ihrer jungen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0368"n="359"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>Läden, aß bei Hiller und war bei guter Zeit wieder<lb/>
zu Haus. Es war ein gelungenes Beiſammenſein<lb/>
geweſen, Innſtetten herzlich froh, das großſtädtiſche<lb/>
Leben wieder mitmachen und auf ſich wirken laſſen<lb/>
zu können. Tags darauf, am 1. April, begab er<lb/>ſich in das Kanzlerpalais, um ſich einzuſchreiben (eine<lb/>
perſönliche Gratulation unterließ er aus Rückſicht),<lb/>
und ging dann aufs Miniſterium, um ſich da zu<lb/>
melden. Er wurde auch angenommen, trotzdem es<lb/>
ein geſchäftlich und geſellſchaftlich ſehr unruhiger Tag<lb/>
war, ja, ſah ſich ſeitens ſeines Chefs durch be¬<lb/>ſonders entgegenkommende Liebenswürdigkeit aus¬<lb/>
gezeichnet. „Er wiſſe, was er an ihm habe und ſei<lb/>ſicher, ihr Einvernehmen nie geſtört zu ſehen.“</p><lb/><p>Auch im Hauſe geſtaltete ſich alles zum guten.<lb/>
Ein aufrichtiges Bedauern war es für Effi, die<lb/>
Mama, nachdem dieſe, wie gleich anfänglich vermutet,<lb/>
faſt ſechs Wochen lang in Kur geweſen, nach Hohen-<lb/>
Cremmen zurückkehren zu ſehen, ein Bedauern, das<lb/>
nur dadurch einigermaßen gemildert wurde, daß ſich<lb/>
Johanna denſelben Tag noch in Berlin einſtellte.<lb/>
Das war immerhin 'was, und wenn die hübſche<lb/>
Blondine dem Herzen Effi's auch nicht ganz ſo nahe<lb/>ſtand wie die ganz ſelbſtſuchtsloſe und unendlich gut¬<lb/>
mütige Roswitha, ſo war ſie doch gleichmäßig an¬<lb/>
geſehen, ebenſo bei Innſtetten wie bei ihrer jungen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[359/0368]
Effi Brieſt
Läden, aß bei Hiller und war bei guter Zeit wieder
zu Haus. Es war ein gelungenes Beiſammenſein
geweſen, Innſtetten herzlich froh, das großſtädtiſche
Leben wieder mitmachen und auf ſich wirken laſſen
zu können. Tags darauf, am 1. April, begab er
ſich in das Kanzlerpalais, um ſich einzuſchreiben (eine
perſönliche Gratulation unterließ er aus Rückſicht),
und ging dann aufs Miniſterium, um ſich da zu
melden. Er wurde auch angenommen, trotzdem es
ein geſchäftlich und geſellſchaftlich ſehr unruhiger Tag
war, ja, ſah ſich ſeitens ſeines Chefs durch be¬
ſonders entgegenkommende Liebenswürdigkeit aus¬
gezeichnet. „Er wiſſe, was er an ihm habe und ſei
ſicher, ihr Einvernehmen nie geſtört zu ſehen.“
Auch im Hauſe geſtaltete ſich alles zum guten.
Ein aufrichtiges Bedauern war es für Effi, die
Mama, nachdem dieſe, wie gleich anfänglich vermutet,
faſt ſechs Wochen lang in Kur geweſen, nach Hohen-
Cremmen zurückkehren zu ſehen, ein Bedauern, das
nur dadurch einigermaßen gemildert wurde, daß ſich
Johanna denſelben Tag noch in Berlin einſtellte.
Das war immerhin 'was, und wenn die hübſche
Blondine dem Herzen Effi's auch nicht ganz ſo nahe
ſtand wie die ganz ſelbſtſuchtsloſe und unendlich gut¬
mütige Roswitha, ſo war ſie doch gleichmäßig an¬
geſehen, ebenſo bei Innſtetten wie bei ihrer jungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/368>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.