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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
einreißt, dann wird man's nicht wieder los; wovor
die Doktoren am meisten warnen und mit Recht,
das sind solche Verschleppungen."

Effi seufzte. "Ja, Mama, aber wen sollen wir
nehmen? Nur keinen jungen; ich weiß nicht, aber
es würde mich genieren."

"Ein junger Doktor ist immer genant, und
wenn er es nicht ist, desto schlimmer. Aber Du
kannst Dich beruhigen; ich komme mit einem ganz
alten, der mich schon behandelt hat, als ich noch in
der Hecker'schen Pension war, also vor etlichen zwanzig
Jahren. Und damals war er nah an Fünfzig und
hatte schönes graues Haar, ganz kraus. Er war
ein Damenmann, aber in den richtigen Grenzen.
Ärzte, die das vergessen, gehen unter, und es kann
auch nicht anders sein; unsere Frauen, wenigstens
die aus der Gesellschaft, haben immer noch einen
guten Fond."

"Meinst Du? ich freue mich immer, so 'was
Gutes zu hören. Denn mitunter hört man doch
auch andres. Und schwer mag es wohl oft sein.
Und wie heißt denn der alte Geheimrat? Ich nehme
an, daß es ein Geheimrat ist."

"Geheimrat Rummschüttel."

Effi lachte herzlich. "Rummschüttel! Und als
Arzt für jemanden, der sich nicht rühren kann."

Effi Brieſt
einreißt, dann wird man's nicht wieder los; wovor
die Doktoren am meiſten warnen und mit Recht,
das ſind ſolche Verſchleppungen.“

Effi ſeufzte. „Ja, Mama, aber wen ſollen wir
nehmen? Nur keinen jungen; ich weiß nicht, aber
es würde mich genieren.“

„Ein junger Doktor iſt immer genant, und
wenn er es nicht iſt, deſto ſchlimmer. Aber Du
kannſt Dich beruhigen; ich komme mit einem ganz
alten, der mich ſchon behandelt hat, als ich noch in
der Hecker'ſchen Penſion war, alſo vor etlichen zwanzig
Jahren. Und damals war er nah an Fünfzig und
hatte ſchönes graues Haar, ganz kraus. Er war
ein Damenmann, aber in den richtigen Grenzen.
Ärzte, die das vergeſſen, gehen unter, und es kann
auch nicht anders ſein; unſere Frauen, wenigſtens
die aus der Geſellſchaft, haben immer noch einen
guten Fond.“

„Meinſt Du? ich freue mich immer, ſo 'was
Gutes zu hören. Denn mitunter hört man doch
auch andres. Und ſchwer mag es wohl oft ſein.
Und wie heißt denn der alte Geheimrat? Ich nehme
an, daß es ein Geheimrat iſt.“

„Geheimrat Rummſchüttel.“

Effi lachte herzlich. „Rummſchüttel! Und als
Arzt für jemanden, der ſich nicht rühren kann.“

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[346/0355] Effi Brieſt einreißt, dann wird man's nicht wieder los; wovor die Doktoren am meiſten warnen und mit Recht, das ſind ſolche Verſchleppungen.“ Effi ſeufzte. „Ja, Mama, aber wen ſollen wir nehmen? Nur keinen jungen; ich weiß nicht, aber es würde mich genieren.“ „Ein junger Doktor iſt immer genant, und wenn er es nicht iſt, deſto ſchlimmer. Aber Du kannſt Dich beruhigen; ich komme mit einem ganz alten, der mich ſchon behandelt hat, als ich noch in der Hecker'ſchen Penſion war, alſo vor etlichen zwanzig Jahren. Und damals war er nah an Fünfzig und hatte ſchönes graues Haar, ganz kraus. Er war ein Damenmann, aber in den richtigen Grenzen. Ärzte, die das vergeſſen, gehen unter, und es kann auch nicht anders ſein; unſere Frauen, wenigſtens die aus der Geſellſchaft, haben immer noch einen guten Fond.“ „Meinſt Du? ich freue mich immer, ſo 'was Gutes zu hören. Denn mitunter hört man doch auch andres. Und ſchwer mag es wohl oft ſein. Und wie heißt denn der alte Geheimrat? Ich nehme an, daß es ein Geheimrat iſt.“ „Geheimrat Rummſchüttel.“ Effi lachte herzlich. „Rummſchüttel! Und als Arzt für jemanden, der ſich nicht rühren kann.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/355>, abgerufen am 22.11.2024.