und sich mit dem Durchblättern eines Albums be¬ schäftigte. Dann ging es nach dem Tiergarten und bis in die Nähe des ,Zoologischen', um dort herum nach einer Wohnung zu suchen. Es traf sich auch wirklich so, daß man in der Keithstraße, worauf sich ihre Wünsche von Anfang an gerichtet hatten, etwas durchaus Passendes ausfindig machte, nur daß es ein Neubau war, feucht und noch unfertig. "Es wird nicht gehen, liebe Effi," sagte Frau von Briest, "schon einfach Gesundheitsrücksichten werden es ver¬ bieten. Und dann ein Geheimrat ist kein Trocken¬ wohner."
Effi, so sehr ihr die Wohnung gefiel, war umso einverstandener mit diesem Bedenken, als ihr an einer raschen Erledigung überhaupt nicht lag, ganz im Gegenteil: ,Zeit gewonnen, alles gewonnen', und so war ihr denn ein Hinausschieben der ganzen An¬ gelegenheit eigentlich das liebste, was ihr begegnen konnte. "Wir wollen diese Wohnung aber doch im Auge behalten, Mama, sie liegt so schön und ist im Wesentlichen das, was ich mir gewünscht habe." Dann fuhren beide Damen in die Stadt zurück, aßen im Restaurant, das man ihnen empfohlen, und waren am Abend in der Oper, wozu der Arzt unter der Bedingung, daß Frau von Briest mehr hören als sehen wolle, die Erlaubnis gegeben hatte.
Effi Brieſt
und ſich mit dem Durchblättern eines Albums be¬ ſchäftigte. Dann ging es nach dem Tiergarten und bis in die Nähe des ‚Zoologiſchen‘, um dort herum nach einer Wohnung zu ſuchen. Es traf ſich auch wirklich ſo, daß man in der Keithſtraße, worauf ſich ihre Wünſche von Anfang an gerichtet hatten, etwas durchaus Paſſendes ausfindig machte, nur daß es ein Neubau war, feucht und noch unfertig. „Es wird nicht gehen, liebe Effi,“ ſagte Frau von Brieſt, „ſchon einfach Geſundheitsrückſichten werden es ver¬ bieten. Und dann ein Geheimrat iſt kein Trocken¬ wohner.“
Effi, ſo ſehr ihr die Wohnung gefiel, war umſo einverſtandener mit dieſem Bedenken, als ihr an einer raſchen Erledigung überhaupt nicht lag, ganz im Gegenteil: ,Zeit gewonnen, alles gewonnen‘, und ſo war ihr denn ein Hinausſchieben der ganzen An¬ gelegenheit eigentlich das liebſte, was ihr begegnen konnte. „Wir wollen dieſe Wohnung aber doch im Auge behalten, Mama, ſie liegt ſo ſchön und iſt im Weſentlichen das, was ich mir gewünſcht habe.“ Dann fuhren beide Damen in die Stadt zurück, aßen im Reſtaurant, das man ihnen empfohlen, und waren am Abend in der Oper, wozu der Arzt unter der Bedingung, daß Frau von Brieſt mehr hören als ſehen wolle, die Erlaubnis gegeben hatte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0350"n="341"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> und ſich mit dem Durchblättern eines Albums be¬<lb/>ſchäftigte. Dann ging es nach dem Tiergarten und<lb/>
bis in die Nähe des ‚Zoologiſchen‘, um dort herum<lb/>
nach einer Wohnung zu ſuchen. Es traf ſich auch<lb/>
wirklich ſo, daß man in der Keithſtraße, worauf<lb/>ſich ihre Wünſche von Anfang an gerichtet hatten,<lb/>
etwas durchaus Paſſendes ausfindig machte, nur daß<lb/>
es ein Neubau war, feucht und noch unfertig. „Es<lb/>
wird nicht gehen, liebe Effi,“ſagte Frau von Brieſt,<lb/>„ſchon einfach Geſundheitsrückſichten werden es ver¬<lb/>
bieten. Und dann ein Geheimrat iſt kein Trocken¬<lb/>
wohner.“</p><lb/><p>Effi, ſo ſehr ihr die Wohnung gefiel, war umſo<lb/>
einverſtandener mit dieſem Bedenken, als ihr an einer<lb/>
raſchen Erledigung überhaupt nicht lag, ganz im<lb/>
Gegenteil: ,Zeit gewonnen, alles gewonnen‘, und ſo<lb/>
war ihr denn ein Hinausſchieben der ganzen An¬<lb/>
gelegenheit eigentlich das liebſte, was ihr begegnen<lb/>
konnte. „Wir wollen dieſe Wohnung aber doch im<lb/>
Auge behalten, Mama, ſie liegt ſo ſchön und iſt im<lb/>
Weſentlichen das, was ich mir gewünſcht habe.“ Dann<lb/>
fuhren beide Damen in die Stadt zurück, aßen im<lb/>
Reſtaurant, das man ihnen empfohlen, und waren<lb/>
am Abend in der Oper, wozu der Arzt unter der<lb/>
Bedingung, daß Frau von Brieſt mehr hören als<lb/>ſehen wolle, die Erlaubnis gegeben hatte.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[341/0350]
Effi Brieſt
und ſich mit dem Durchblättern eines Albums be¬
ſchäftigte. Dann ging es nach dem Tiergarten und
bis in die Nähe des ‚Zoologiſchen‘, um dort herum
nach einer Wohnung zu ſuchen. Es traf ſich auch
wirklich ſo, daß man in der Keithſtraße, worauf
ſich ihre Wünſche von Anfang an gerichtet hatten,
etwas durchaus Paſſendes ausfindig machte, nur daß
es ein Neubau war, feucht und noch unfertig. „Es
wird nicht gehen, liebe Effi,“ ſagte Frau von Brieſt,
„ſchon einfach Geſundheitsrückſichten werden es ver¬
bieten. Und dann ein Geheimrat iſt kein Trocken¬
wohner.“
Effi, ſo ſehr ihr die Wohnung gefiel, war umſo
einverſtandener mit dieſem Bedenken, als ihr an einer
raſchen Erledigung überhaupt nicht lag, ganz im
Gegenteil: ,Zeit gewonnen, alles gewonnen‘, und ſo
war ihr denn ein Hinausſchieben der ganzen An¬
gelegenheit eigentlich das liebſte, was ihr begegnen
konnte. „Wir wollen dieſe Wohnung aber doch im
Auge behalten, Mama, ſie liegt ſo ſchön und iſt im
Weſentlichen das, was ich mir gewünſcht habe.“ Dann
fuhren beide Damen in die Stadt zurück, aßen im
Reſtaurant, das man ihnen empfohlen, und waren
am Abend in der Oper, wozu der Arzt unter der
Bedingung, daß Frau von Brieſt mehr hören als
ſehen wolle, die Erlaubnis gegeben hatte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/350>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.