Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest ihm einen Kuß auf die linke Backe. Hiermit waraber die Sache für ihn noch nicht abgeschlossen, viel¬ mehr fuhr er fort, außer dem "Du" zugleich intimere Namen und Titel für den Hausverkehr zu empfehlen, eine Art Gemütlichkeitsrangliste aufzustellen, natürlich unter Wahrung berechtigter, weil wohlerworbener Eigentümlichkeiten. Für seine Frau, so hieß es, würde der Fortbestand von "Mama" (denn es gäbe auch junge Mamas) wohl das Beste sein, während er für seine Person, unter Verzicht auf den Ehren¬ titel "Papa", das einfache Briest entschieden bevor¬ zugen müsse, schon weil es so hübsch kurz sei. Und was nun die Kinder angehe -- bei welchem Wort er sich, Aug' in Auge mit dem nur etwa um ein Dutzend Jahre jüngeren Innstetten, einen Ruck geben mußte -- nun, so sei Effi eben Effi und Geert Geert. Geert, wenn er nicht irre, habe die Bedeu¬ tung von einem schlank aufgeschossenen Stamm, und Effi sei dann also der Epheu, der sich darum zu ranken habe. Das Brautpaar sah sich bei diesen Worten etwas verlegen an, Effi zugleich mit einem Ausdruck kindlicher Heiterkeit, Frau von Briest aber sagte: "Briest, sprich was Du willst und formuliere Deine Toaste nach Gefallen, nur poetische Bilder, wenn ich Dich bitten darf, laß bei Seite, das liegt jenseits Deiner Sphäre." Zurechtweisende Worte, Effi Brieſt ihm einen Kuß auf die linke Backe. Hiermit waraber die Sache für ihn noch nicht abgeſchloſſen, viel¬ mehr fuhr er fort, außer dem „Du“ zugleich intimere Namen und Titel für den Hausverkehr zu empfehlen, eine Art Gemütlichkeitsrangliſte aufzuſtellen, natürlich unter Wahrung berechtigter, weil wohlerworbener Eigentümlichkeiten. Für ſeine Frau, ſo hieß es, würde der Fortbeſtand von „Mama“ (denn es gäbe auch junge Mamas) wohl das Beſte ſein, während er für ſeine Perſon, unter Verzicht auf den Ehren¬ titel „Papa“, das einfache Brieſt entſchieden bevor¬ zugen müſſe, ſchon weil es ſo hübſch kurz ſei. Und was nun die Kinder angehe — bei welchem Wort er ſich, Aug' in Auge mit dem nur etwa um ein Dutzend Jahre jüngeren Innſtetten, einen Ruck geben mußte — nun, ſo ſei Effi eben Effi und Geert Geert. Geert, wenn er nicht irre, habe die Bedeu¬ tung von einem ſchlank aufgeſchoſſenen Stamm, und Effi ſei dann alſo der Epheu, der ſich darum zu ranken habe. Das Brautpaar ſah ſich bei dieſen Worten etwas verlegen an, Effi zugleich mit einem Ausdruck kindlicher Heiterkeit, Frau von Brieſt aber ſagte: „Brieſt, ſprich was Du willſt und formuliere Deine Toaſte nach Gefallen, nur poetiſche Bilder, wenn ich Dich bitten darf, laß bei Seite, das liegt jenſeits Deiner Sphäre.“ Zurechtweiſende Worte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="23"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>ihm einen Kuß auf die linke Backe. Hiermit war<lb/> aber die Sache für ihn noch nicht abgeſchloſſen, viel¬<lb/> mehr fuhr er fort, außer dem „Du“ zugleich intimere<lb/> Namen und Titel für den Hausverkehr zu empfehlen,<lb/> eine Art Gemütlichkeitsrangliſte aufzuſtellen, natürlich<lb/> unter Wahrung berechtigter, weil wohlerworbener<lb/> Eigentümlichkeiten. Für ſeine Frau, ſo hieß es,<lb/> würde der Fortbeſtand von „Mama“ (denn es gäbe<lb/> auch junge Mamas) wohl das Beſte ſein, während<lb/> er für ſeine Perſon, unter Verzicht auf den Ehren¬<lb/> titel „Papa“, das einfache Brieſt entſchieden bevor¬<lb/> zugen müſſe, ſchon weil es ſo hübſch kurz ſei. Und<lb/> was nun die Kinder angehe — bei welchem Wort<lb/> er ſich, Aug' in Auge mit dem nur etwa um ein<lb/> Dutzend Jahre jüngeren Innſtetten, einen Ruck geben<lb/> mußte — nun, ſo ſei Effi eben Effi und Geert<lb/> Geert. Geert, wenn er nicht irre, habe die Bedeu¬<lb/> tung von einem ſchlank aufgeſchoſſenen Stamm, und<lb/> Effi ſei dann alſo der Epheu, der ſich darum zu<lb/> ranken habe. Das Brautpaar ſah ſich bei dieſen<lb/> Worten etwas verlegen an, Effi zugleich mit einem<lb/> Ausdruck kindlicher Heiterkeit, Frau von Brieſt aber<lb/> ſagte: „Brieſt, ſprich was Du willſt und formuliere<lb/> Deine Toaſte nach Gefallen, nur poetiſche Bilder,<lb/> wenn ich Dich bitten darf, laß bei Seite, das liegt<lb/> jenſeits Deiner Sphäre.“ Zurechtweiſende Worte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0032]
Effi Brieſt
ihm einen Kuß auf die linke Backe. Hiermit war
aber die Sache für ihn noch nicht abgeſchloſſen, viel¬
mehr fuhr er fort, außer dem „Du“ zugleich intimere
Namen und Titel für den Hausverkehr zu empfehlen,
eine Art Gemütlichkeitsrangliſte aufzuſtellen, natürlich
unter Wahrung berechtigter, weil wohlerworbener
Eigentümlichkeiten. Für ſeine Frau, ſo hieß es,
würde der Fortbeſtand von „Mama“ (denn es gäbe
auch junge Mamas) wohl das Beſte ſein, während
er für ſeine Perſon, unter Verzicht auf den Ehren¬
titel „Papa“, das einfache Brieſt entſchieden bevor¬
zugen müſſe, ſchon weil es ſo hübſch kurz ſei. Und
was nun die Kinder angehe — bei welchem Wort
er ſich, Aug' in Auge mit dem nur etwa um ein
Dutzend Jahre jüngeren Innſtetten, einen Ruck geben
mußte — nun, ſo ſei Effi eben Effi und Geert
Geert. Geert, wenn er nicht irre, habe die Bedeu¬
tung von einem ſchlank aufgeſchoſſenen Stamm, und
Effi ſei dann alſo der Epheu, der ſich darum zu
ranken habe. Das Brautpaar ſah ſich bei dieſen
Worten etwas verlegen an, Effi zugleich mit einem
Ausdruck kindlicher Heiterkeit, Frau von Brieſt aber
ſagte: „Brieſt, ſprich was Du willſt und formuliere
Deine Toaſte nach Gefallen, nur poetiſche Bilder,
wenn ich Dich bitten darf, laß bei Seite, das liegt
jenſeits Deiner Sphäre.“ Zurechtweiſende Worte,
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