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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Huhn. Un' das schwarze Huhn legt nich' 'mal Eier.
Un' am Ende wovon soll es auch Eier legen? Es
kommt ja nich' 'raus und von's bloße Kikeriki kann
doch so 'was nich' kommen. Das is von keinem
Huhn nich' zu verlangen."

"Hören Sie, Kruse, das werde ich Ihrer Frau
wieder erzählen. Ich habe Sie immer für einen
anständigen Menschen gehalten, und nun sagen Sie
so 'was wie das da von Kikeriki. Die Mannsleute
sind doch immer noch schlimmer als man denkt. Un'
eigentlich müßt' ich nu' gleich den Pinsel hier nehmen
und Ihnen einen schwarzen Schnurrbart anmalen."

"Nu' von Ihnen, Roswitha, kann man sich
das schon gefallen lassen," und Kruse, der meist den
Würdigen spielte, schien in einen mehr und mehr
schäkrigen Ton übergehen zu wollen, als er plötzlich
der gnädigen Frau ansichtig wurde, die heute von der
anderen Seite der Plantage herkam und in eben
diesem Augenblicke den Gartenzaun passierte.

"Guten Tag, Roswitha, Du bist ja so aus¬
gelassen. Was macht denn Annie?"

"Sie schläft, gnäd'ge Frau."

Aber Roswitha, als sie das sagte, war doch rot
geworden und ging, rasch abbrechend, auf das Haus
zu, um der gnädigen Frau beim Umkleiden behülflich
zu sein. Denn ob Johanna da war, das war die

Th. Fontane, Effi Briest. 20

Effi Brieſt
Huhn. Un' das ſchwarze Huhn legt nich' 'mal Eier.
Un' am Ende wovon ſoll es auch Eier legen? Es
kommt ja nich' 'raus und von's bloße Kikeriki kann
doch ſo 'was nich' kommen. Das is von keinem
Huhn nich' zu verlangen.“

„Hören Sie, Kruſe, das werde ich Ihrer Frau
wieder erzählen. Ich habe Sie immer für einen
anſtändigen Menſchen gehalten, und nun ſagen Sie
ſo 'was wie das da von Kikeriki. Die Mannsleute
ſind doch immer noch ſchlimmer als man denkt. Un'
eigentlich müßt' ich nu' gleich den Pinſel hier nehmen
und Ihnen einen ſchwarzen Schnurrbart anmalen.“

„Nu' von Ihnen, Roswitha, kann man ſich
das ſchon gefallen laſſen,“ und Kruſe, der meiſt den
Würdigen ſpielte, ſchien in einen mehr und mehr
ſchäkrigen Ton übergehen zu wollen, als er plötzlich
der gnädigen Frau anſichtig wurde, die heute von der
anderen Seite der Plantage herkam und in eben
dieſem Augenblicke den Gartenzaun paſſierte.

„Guten Tag, Roswitha, Du biſt ja ſo aus¬
gelaſſen. Was macht denn Annie?“

„Sie ſchläft, gnäd'ge Frau.“

Aber Roswitha, als ſie das ſagte, war doch rot
geworden und ging, raſch abbrechend, auf das Haus
zu, um der gnädigen Frau beim Umkleiden behülflich
zu ſein. Denn ob Johanna da war, das war die

Th. Fontane, Effi Brieſt. 20
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[305/0314] Effi Brieſt Huhn. Un' das ſchwarze Huhn legt nich' 'mal Eier. Un' am Ende wovon ſoll es auch Eier legen? Es kommt ja nich' 'raus und von's bloße Kikeriki kann doch ſo 'was nich' kommen. Das is von keinem Huhn nich' zu verlangen.“ „Hören Sie, Kruſe, das werde ich Ihrer Frau wieder erzählen. Ich habe Sie immer für einen anſtändigen Menſchen gehalten, und nun ſagen Sie ſo 'was wie das da von Kikeriki. Die Mannsleute ſind doch immer noch ſchlimmer als man denkt. Un' eigentlich müßt' ich nu' gleich den Pinſel hier nehmen und Ihnen einen ſchwarzen Schnurrbart anmalen.“ „Nu' von Ihnen, Roswitha, kann man ſich das ſchon gefallen laſſen,“ und Kruſe, der meiſt den Würdigen ſpielte, ſchien in einen mehr und mehr ſchäkrigen Ton übergehen zu wollen, als er plötzlich der gnädigen Frau anſichtig wurde, die heute von der anderen Seite der Plantage herkam und in eben dieſem Augenblicke den Gartenzaun paſſierte. „Guten Tag, Roswitha, Du biſt ja ſo aus¬ gelaſſen. Was macht denn Annie?“ „Sie ſchläft, gnäd'ge Frau.“ Aber Roswitha, als ſie das ſagte, war doch rot geworden und ging, raſch abbrechend, auf das Haus zu, um der gnädigen Frau beim Umkleiden behülflich zu ſein. Denn ob Johanna da war, das war die Th. Fontane, Effi Brieſt. 20

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/314>, abgerufen am 26.11.2024.