"Nach wie vor nur das eine, daß ich Dich lieber mit Gieshübler als mit Crampas sehe."
"Weil Du den Crampas zu schwer und den Gieshübler zu leicht nimmst."
Innstetten drohte ihr scherzhaft mit dem Finger.
Drei Tage später war Sylvester. Effi erschien in einer reizenden Balltoilette, einem Geschenk, das ihr der Weihnachtstisch gebracht hatte; sie tanzte aber nicht, sondern nahm ihren Platz bei den alten Damen, für die, ganz in der Nähe der Musikempore, die Fauteuils gestellt waren. Von den adligen Familien, mit denen Innstetten's vorzugsweise verkehrten, war niemand da, weil kurz vorher ein kleines Zerwürfnis mit dem städtischen Ressourcenvorstand, der, nament¬ lich seitens des alten Güldenklee, 'mal wieder "de¬ struktiver Tendenzen" beschuldigt worden war, statt¬ gefunden hatte; drei, vier andere adlige Familien aber, die nicht Mitglieder der Ressource, sondern immer nur geladene Gäste waren und deren Güter an der anderen Seite der Kessine lagen, waren aus zum Teil weiter Entfernung über das Flußeis ge¬ kommen und freuten sich, an dem Feste teilnehmen zu können. Effi saß zwischen der alten Ritterschafts¬
Effi Brieſt
Effi lachte. „Nun, was ſagſt Du?“
„Nach wie vor nur das eine, daß ich Dich lieber mit Gieshübler als mit Crampas ſehe.“
„Weil Du den Crampas zu ſchwer und den Gieshübler zu leicht nimmſt.“
Innſtetten drohte ihr ſcherzhaft mit dem Finger.
Drei Tage ſpäter war Sylveſter. Effi erſchien in einer reizenden Balltoilette, einem Geſchenk, das ihr der Weihnachtstiſch gebracht hatte; ſie tanzte aber nicht, ſondern nahm ihren Platz bei den alten Damen, für die, ganz in der Nähe der Muſikempore, die Fauteuils geſtellt waren. Von den adligen Familien, mit denen Innſtetten's vorzugsweiſe verkehrten, war niemand da, weil kurz vorher ein kleines Zerwürfnis mit dem ſtädtiſchen Reſſourcenvorſtand, der, nament¬ lich ſeitens des alten Güldenklee, 'mal wieder „de¬ ſtruktiver Tendenzen“ beſchuldigt worden war, ſtatt¬ gefunden hatte; drei, vier andere adlige Familien aber, die nicht Mitglieder der Reſſource, ſondern immer nur geladene Gäſte waren und deren Güter an der anderen Seite der Keſſine lagen, waren aus zum Teil weiter Entfernung über das Flußeis ge¬ kommen und freuten ſich, an dem Feſte teilnehmen zu können. Effi ſaß zwiſchen der alten Ritterſchafts¬
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Effi Brieſt
Effi lachte. „Nun, was ſagſt Du?“
„Nach wie vor nur das eine, daß ich Dich
lieber mit Gieshübler als mit Crampas ſehe.“
„Weil Du den Crampas zu ſchwer und den
Gieshübler zu leicht nimmſt.“
Innſtetten drohte ihr ſcherzhaft mit dem Finger.
Drei Tage ſpäter war Sylveſter. Effi erſchien
in einer reizenden Balltoilette, einem Geſchenk, das
ihr der Weihnachtstiſch gebracht hatte; ſie tanzte
aber nicht, ſondern nahm ihren Platz bei den alten
Damen, für die, ganz in der Nähe der Muſikempore,
die Fauteuils geſtellt waren. Von den adligen Familien,
mit denen Innſtetten's vorzugsweiſe verkehrten, war
niemand da, weil kurz vorher ein kleines Zerwürfnis
mit dem ſtädtiſchen Reſſourcenvorſtand, der, nament¬
lich ſeitens des alten Güldenklee, 'mal wieder „de¬
ſtruktiver Tendenzen“ beſchuldigt worden war, ſtatt¬
gefunden hatte; drei, vier andere adlige Familien
aber, die nicht Mitglieder der Reſſource, ſondern
immer nur geladene Gäſte waren und deren Güter
an der anderen Seite der Keſſine lagen, waren aus
zum Teil weiter Entfernung über das Flußeis ge¬
kommen und freuten ſich, an dem Feſte teilnehmen
zu können. Effi ſaß zwiſchen der alten Ritterſchafts¬
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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