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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
wohl sprechen lassen -- die Verlobungsringe angehe,
so sei glücklicherweise die Gewähr gegeben, daß einer
davon in kürzester Frist in diesem Hause sichtbar
werden und den Ringfinger (und zwar hier in einem
doppelten Sinne den Ringfinger) eines kleinen
hübschen Pätschelchens zieren werde ..."

"Unerhört," raunte Sidonie dem Pastor zu.

"Ja, meine Freunde," fuhr Güldenklee mit ge¬
hobener Stimme fort, "viele Ringe giebt es, und es
giebt sogar eine Geschichte, die wir alle kennen,
die die Geschichte von den ,drei Ringen' heißt, eine
Judengeschichte, die, wie der ganze liberale Krims¬
krams, nichts wie Verwirrung und Unheil gestiftet
hat und noch stiftet. Gott bessere es. Und nun
lassen Sie mich schließen, um Ihre Geduld und
Nachsicht nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen.
Ich bin nicht für diese drei Ringe, meine Lieben,
ich bin vielmehr für einen Ring, für einen Ring,
der so recht ein Ring ist wie er sein soll, ein Ring,
der alles Gute, was wir in unsrem altpommerschen
Kessiner Kreise haben, alles, was noch mit Gott für
König und Vaterland einsteht -- und es sind ihrer
noch einige (lauter Jubel) -- an diesem seinem gast¬
lichen Tisch vereinigt sieht. Für diesen Ring bin
ich. Er lebe hoch!"

Alles stimmte ein und umdrängte Ring, der,

Effi Brieſt
wohl ſprechen laſſen — die Verlobungsringe angehe,
ſo ſei glücklicherweiſe die Gewähr gegeben, daß einer
davon in kürzeſter Friſt in dieſem Hauſe ſichtbar
werden und den Ringfinger (und zwar hier in einem
doppelten Sinne den Ringfinger) eines kleinen
hübſchen Pätſchelchens zieren werde …“

„Unerhört,“ raunte Sidonie dem Paſtor zu.

„Ja, meine Freunde,“ fuhr Güldenklee mit ge¬
hobener Stimme fort, „viele Ringe giebt es, und es
giebt ſogar eine Geſchichte, die wir alle kennen,
die die Geſchichte von den ,drei Ringen‘ heißt, eine
Judengeſchichte, die, wie der ganze liberale Krims¬
krams, nichts wie Verwirrung und Unheil geſtiftet
hat und noch ſtiftet. Gott beſſere es. Und nun
laſſen Sie mich ſchließen, um Ihre Geduld und
Nachſicht nicht über Gebühr in Anſpruch zu nehmen.
Ich bin nicht für dieſe drei Ringe, meine Lieben,
ich bin vielmehr für einen Ring, für einen Ring,
der ſo recht ein Ring iſt wie er ſein ſoll, ein Ring,
der alles Gute, was wir in unſrem altpommerſchen
Keſſiner Kreiſe haben, alles, was noch mit Gott für
König und Vaterland einſteht — und es ſind ihrer
noch einige (lauter Jubel) — an dieſem ſeinem gaſt¬
lichen Tiſch vereinigt ſieht. Für dieſen Ring bin
ich. Er lebe hoch!“

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[268/0277] Effi Brieſt wohl ſprechen laſſen — die Verlobungsringe angehe, ſo ſei glücklicherweiſe die Gewähr gegeben, daß einer davon in kürzeſter Friſt in dieſem Hauſe ſichtbar werden und den Ringfinger (und zwar hier in einem doppelten Sinne den Ringfinger) eines kleinen hübſchen Pätſchelchens zieren werde …“ „Unerhört,“ raunte Sidonie dem Paſtor zu. „Ja, meine Freunde,“ fuhr Güldenklee mit ge¬ hobener Stimme fort, „viele Ringe giebt es, und es giebt ſogar eine Geſchichte, die wir alle kennen, die die Geſchichte von den ,drei Ringen‘ heißt, eine Judengeſchichte, die, wie der ganze liberale Krims¬ krams, nichts wie Verwirrung und Unheil geſtiftet hat und noch ſtiftet. Gott beſſere es. Und nun laſſen Sie mich ſchließen, um Ihre Geduld und Nachſicht nicht über Gebühr in Anſpruch zu nehmen. Ich bin nicht für dieſe drei Ringe, meine Lieben, ich bin vielmehr für einen Ring, für einen Ring, der ſo recht ein Ring iſt wie er ſein ſoll, ein Ring, der alles Gute, was wir in unſrem altpommerſchen Keſſiner Kreiſe haben, alles, was noch mit Gott für König und Vaterland einſteht — und es ſind ihrer noch einige (lauter Jubel) — an dieſem ſeinem gaſt¬ lichen Tiſch vereinigt ſieht. Für dieſen Ring bin ich. Er lebe hoch!“ Alles ſtimmte ein und umdrängte Ring, der,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/277>, abgerufen am 22.11.2024.