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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ach, ich bitte Dich, Geert, das bildest Du Dir
wieder ein. Die arme Frau! Mir ist nichts auf¬
gefallen."

"Weil Du für derlei keine Augen hast. Aber
es war so wie ich Dir sage, und der arme Crampas
war wie befangen dadurch und mied Dich immer
und sah Dich kaum an. Was doch ganz unnatürlich
ist; denn erstens ist er überhaupt ein Damenmann,
und nun gar Damen wie Du, das ist seine besondere
Passion. Und ich wette auch, daß es keiner besser
weiß, als meine kleine Frau selber. Wenn ich daran
denke, wie, Pardon, das Geschnatter hin und her
ging, wenn er morgens in die Veranda kam oder
wenn wir am Strande ritten oder auf der Mole
spazieren gingen. Es ist, wie ich Dir sage, er traute
sich heute nicht, er fürchtete sich vor seiner Frau.
Und ich kann es ihm nicht verdenken. Die Majorin
ist so etwas wie unsere Frau Kruse, und wenn ich
zwischen beiden wählen müßte, ich wüßte nicht wen."

"Ich wüßt' es schon; es ist doch ein Unterschied
zwischen den beiden. Die arme Majorin ist un¬
glücklich, die Kruse ist unheimlich."

"Und da bist Du doch mehr für das Unglück¬
liche?"

"Ganz entschieden."

"Nun höre, das ist Geschmacksache. Man merkt,

Effi Brieſt

„Ach, ich bitte Dich, Geert, das bildeſt Du Dir
wieder ein. Die arme Frau! Mir iſt nichts auf¬
gefallen.“

„Weil Du für derlei keine Augen haſt. Aber
es war ſo wie ich Dir ſage, und der arme Crampas
war wie befangen dadurch und mied Dich immer
und ſah Dich kaum an. Was doch ganz unnatürlich
iſt; denn erſtens iſt er überhaupt ein Damenmann,
und nun gar Damen wie Du, das iſt ſeine beſondere
Paſſion. Und ich wette auch, daß es keiner beſſer
weiß, als meine kleine Frau ſelber. Wenn ich daran
denke, wie, Pardon, das Geſchnatter hin und her
ging, wenn er morgens in die Veranda kam oder
wenn wir am Strande ritten oder auf der Mole
ſpazieren gingen. Es iſt, wie ich Dir ſage, er traute
ſich heute nicht, er fürchtete ſich vor ſeiner Frau.
Und ich kann es ihm nicht verdenken. Die Majorin
iſt ſo etwas wie unſere Frau Kruſe, und wenn ich
zwiſchen beiden wählen müßte, ich wüßte nicht wen.“

„Ich wüßt' es ſchon; es iſt doch ein Unterſchied
zwiſchen den beiden. Die arme Majorin iſt un¬
glücklich, die Kruſe iſt unheimlich.“

„Und da biſt Du doch mehr für das Unglück¬
liche?“

„Ganz entſchieden.“

„Nun höre, das iſt Geſchmackſache. Man merkt,

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[253/0262] Effi Brieſt „Ach, ich bitte Dich, Geert, das bildeſt Du Dir wieder ein. Die arme Frau! Mir iſt nichts auf¬ gefallen.“ „Weil Du für derlei keine Augen haſt. Aber es war ſo wie ich Dir ſage, und der arme Crampas war wie befangen dadurch und mied Dich immer und ſah Dich kaum an. Was doch ganz unnatürlich iſt; denn erſtens iſt er überhaupt ein Damenmann, und nun gar Damen wie Du, das iſt ſeine beſondere Paſſion. Und ich wette auch, daß es keiner beſſer weiß, als meine kleine Frau ſelber. Wenn ich daran denke, wie, Pardon, das Geſchnatter hin und her ging, wenn er morgens in die Veranda kam oder wenn wir am Strande ritten oder auf der Mole ſpazieren gingen. Es iſt, wie ich Dir ſage, er traute ſich heute nicht, er fürchtete ſich vor ſeiner Frau. Und ich kann es ihm nicht verdenken. Die Majorin iſt ſo etwas wie unſere Frau Kruſe, und wenn ich zwiſchen beiden wählen müßte, ich wüßte nicht wen.“ „Ich wüßt' es ſchon; es iſt doch ein Unterſchied zwiſchen den beiden. Die arme Majorin iſt un¬ glücklich, die Kruſe iſt unheimlich.“ „Und da biſt Du doch mehr für das Unglück¬ liche?“ „Ganz entſchieden.“ „Nun höre, das iſt Geſchmackſache. Man merkt,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/262>, abgerufen am 22.11.2024.