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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
blicke packt ihn der Kapitän am Bein und ruft ihm
zu: Doktor, sind Sie des Teufels?"

"Das ist ja allerliebst. Das möcht' ich lesen.
Ist es lang."

"Nein, es ist eigentlich kurz, etwas länger als
,Du hast Diamanten und Perlen' oder ,Deine weichen
Lilienfinger' ..." und er berührte leise ihre Hand.
"Aber lang oder kurz, welche Schilderungskraft,
welche Anschaulichkeit! Er ist mein Lieblingsdichter,
und ich kann ihn auswendig, so wenig ich mir sonst,
trotz gelegentlich eigener Versündigungen, aus der
Dichterei mache. Bei Heine liegt es aber anders:
Alles ist Leben, und vor allem versteht er sich auf
die Liebe, die doch die Hauptsache bleibt. Er ist
übrigens nicht einseitig darin ... "

"Wie meinen Sie das?"

"Ich meine, er ist nicht bloß für die Liebe ..."

"Nun, wenn er diese Einseitigkeit auch hätte, das
wäre am Ende noch nicht das schlimmste. Wofür
ist er denn sonst noch?"

"Er ist auch sehr für das Romantische, was
freilich gleich nach der Liebe kommt und nach Meinung
einiger sogar damit zusammenfällt. Was ich aber
nicht glaube. Denn in seinen späteren Gedichten, die
man denn auch die "romantischen" genannt hat, oder
eigentlich hat er es selber gethan, in diesen romantischen

Effi Brieſt
blicke packt ihn der Kapitän am Bein und ruft ihm
zu: Doktor, ſind Sie des Teufels?“

„Das iſt ja allerliebſt. Das möcht' ich leſen.
Iſt es lang.“

„Nein, es iſt eigentlich kurz, etwas länger als
,Du haſt Diamanten und Perlen‘ oder ,Deine weichen
Lilienfinger‘ …“ und er berührte leiſe ihre Hand.
„Aber lang oder kurz, welche Schilderungskraft,
welche Anſchaulichkeit! Er iſt mein Lieblingsdichter,
und ich kann ihn auswendig, ſo wenig ich mir ſonſt,
trotz gelegentlich eigener Verſündigungen, aus der
Dichterei mache. Bei Heine liegt es aber anders:
Alles iſt Leben, und vor allem verſteht er ſich auf
die Liebe, die doch die Hauptſache bleibt. Er iſt
übrigens nicht einſeitig darin … “

„Wie meinen Sie das?“

„Ich meine, er iſt nicht bloß für die Liebe …“

„Nun, wenn er dieſe Einſeitigkeit auch hätte, das
wäre am Ende noch nicht das ſchlimmſte. Wofür
iſt er denn ſonſt noch?“

„Er iſt auch ſehr für das Romantiſche, was
freilich gleich nach der Liebe kommt und nach Meinung
einiger ſogar damit zuſammenfällt. Was ich aber
nicht glaube. Denn in ſeinen ſpäteren Gedichten, die
man denn auch die „romantiſchen“ genannt hat, oder
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[237/0246] Effi Brieſt blicke packt ihn der Kapitän am Bein und ruft ihm zu: Doktor, ſind Sie des Teufels?“ „Das iſt ja allerliebſt. Das möcht' ich leſen. Iſt es lang.“ „Nein, es iſt eigentlich kurz, etwas länger als ,Du haſt Diamanten und Perlen‘ oder ,Deine weichen Lilienfinger‘ …“ und er berührte leiſe ihre Hand. „Aber lang oder kurz, welche Schilderungskraft, welche Anſchaulichkeit! Er iſt mein Lieblingsdichter, und ich kann ihn auswendig, ſo wenig ich mir ſonſt, trotz gelegentlich eigener Verſündigungen, aus der Dichterei mache. Bei Heine liegt es aber anders: Alles iſt Leben, und vor allem verſteht er ſich auf die Liebe, die doch die Hauptſache bleibt. Er iſt übrigens nicht einſeitig darin … “ „Wie meinen Sie das?“ „Ich meine, er iſt nicht bloß für die Liebe …“ „Nun, wenn er dieſe Einſeitigkeit auch hätte, das wäre am Ende noch nicht das ſchlimmſte. Wofür iſt er denn ſonſt noch?“ „Er iſt auch ſehr für das Romantiſche, was freilich gleich nach der Liebe kommt und nach Meinung einiger ſogar damit zuſammenfällt. Was ich aber nicht glaube. Denn in ſeinen ſpäteren Gedichten, die man denn auch die „romantiſchen“ genannt hat, oder eigentlich hat er es ſelber gethan, in dieſen romantiſchen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/246>, abgerufen am 23.11.2024.