Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
bin Ihre Freundin. Ich will wissen, wie hängt
dies zusammen? Was denkt er sich dabei?"

"Ja, meine gnädigste Frau, Gott sieht ins Herz,
aber ein Major vom Landwehrbezirks-Kommando,
der sieht in gar nichts. Wie soll ich solche psycho¬
logischen Rätsel lösen? Ich bin ein einfacher Mann."

"Ach, Crampas, reden Sie nicht so thöricht.
Ich bin zu jung, um eine große Menschenkennerin
zu sein; aber ich müßte noch vor der Einsegnung
und beinah' vor der Taufe stehen, um Sie für einen
einfachen Mann zu halten. Sie sind das Gegen¬
teil davon, Sie sind gefährlich ..."

"Das Schmeichelhafteste, was einem guten Vier¬
ziger, mit einem a. D. auf der Karte, gesagt werden
kann. Und nun also, was sich Innstetten dabei
denkt ..."

Effi nickte.

"Ja, wenn ich durchaus sprechen soll, er denkt
sich dabei, daß ein Mann, wie Landrat Baron Inn¬
stetten, der jeden Tag Ministerial-Direktor oder der¬
gleichen werden kann (denn glauben Sie mir, er ist
hoch hinaus), daß ein Mann wie Baron Innstetten
nicht in einem gewöhnlichen Hause wohnen kann,
nicht in einer solchen Kate, wie die landrätliche
Wohnung, ich bitte um Vergebung, gnädigste Frau,
doch eigentlich ist. Da hilft er denn nach. Ein

Effi Brieſt
bin Ihre Freundin. Ich will wiſſen, wie hängt
dies zuſammen? Was denkt er ſich dabei?“

„Ja, meine gnädigſte Frau, Gott ſieht ins Herz,
aber ein Major vom Landwehrbezirks-Kommando,
der ſieht in gar nichts. Wie ſoll ich ſolche pſycho¬
logiſchen Rätſel löſen? Ich bin ein einfacher Mann.“

„Ach, Crampas, reden Sie nicht ſo thöricht.
Ich bin zu jung, um eine große Menſchenkennerin
zu ſein; aber ich müßte noch vor der Einſegnung
und beinah' vor der Taufe ſtehen, um Sie für einen
einfachen Mann zu halten. Sie ſind das Gegen¬
teil davon, Sie ſind gefährlich …“

„Das Schmeichelhafteſte, was einem guten Vier¬
ziger, mit einem a. D. auf der Karte, geſagt werden
kann. Und nun alſo, was ſich Innſtetten dabei
denkt …“

Effi nickte.

„Ja, wenn ich durchaus ſprechen ſoll, er denkt
ſich dabei, daß ein Mann, wie Landrat Baron Inn¬
ſtetten, der jeden Tag Miniſterial-Direktor oder der¬
gleichen werden kann (denn glauben Sie mir, er iſt
hoch hinaus), daß ein Mann wie Baron Innſtetten
nicht in einem gewöhnlichen Hauſe wohnen kann,
nicht in einer ſolchen Kate, wie die landrätliche
Wohnung, ich bitte um Vergebung, gnädigſte Frau,
doch eigentlich iſt. Da hilft er denn nach. Ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0237" n="228"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>bin Ihre Freundin. Ich will wi&#x017F;&#x017F;en, wie hängt<lb/>
dies zu&#x017F;ammen? Was denkt er &#x017F;ich dabei?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, meine gnädig&#x017F;te Frau, Gott &#x017F;ieht ins Herz,<lb/>
aber ein Major vom Landwehrbezirks-Kommando,<lb/>
der &#x017F;ieht in gar nichts. Wie &#x017F;oll ich &#x017F;olche p&#x017F;ycho¬<lb/>
logi&#x017F;chen Rät&#x017F;el lö&#x017F;en? Ich bin ein einfacher Mann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, Crampas, reden Sie nicht &#x017F;o thöricht.<lb/>
Ich bin zu jung, um eine große Men&#x017F;chenkennerin<lb/>
zu &#x017F;ein; aber ich müßte noch vor der Ein&#x017F;egnung<lb/>
und beinah' vor der Taufe &#x017F;tehen, um Sie für einen<lb/>
einfachen Mann zu halten. Sie &#x017F;ind das Gegen¬<lb/>
teil davon, Sie &#x017F;ind gefährlich &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Schmeichelhafte&#x017F;te, was einem guten Vier¬<lb/>
ziger, mit einem a. D. auf der Karte, ge&#x017F;agt werden<lb/>
kann. Und nun al&#x017F;o, was &#x017F;ich Inn&#x017F;tetten dabei<lb/>
denkt &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Effi nickte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, wenn ich durchaus &#x017F;prechen &#x017F;oll, er denkt<lb/>
&#x017F;ich dabei, daß ein Mann, wie Landrat Baron Inn¬<lb/>
&#x017F;tetten, der jeden Tag Mini&#x017F;terial-Direktor oder der¬<lb/>
gleichen werden kann (denn glauben Sie mir, er i&#x017F;t<lb/>
hoch hinaus), daß ein Mann wie Baron Inn&#x017F;tetten<lb/>
nicht in einem gewöhnlichen Hau&#x017F;e wohnen kann,<lb/>
nicht in einer &#x017F;olchen Kate, wie die landrätliche<lb/>
Wohnung, ich bitte um Vergebung, gnädig&#x017F;te Frau,<lb/>
doch eigentlich i&#x017F;t. Da hilft er denn nach. Ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0237] Effi Brieſt bin Ihre Freundin. Ich will wiſſen, wie hängt dies zuſammen? Was denkt er ſich dabei?“ „Ja, meine gnädigſte Frau, Gott ſieht ins Herz, aber ein Major vom Landwehrbezirks-Kommando, der ſieht in gar nichts. Wie ſoll ich ſolche pſycho¬ logiſchen Rätſel löſen? Ich bin ein einfacher Mann.“ „Ach, Crampas, reden Sie nicht ſo thöricht. Ich bin zu jung, um eine große Menſchenkennerin zu ſein; aber ich müßte noch vor der Einſegnung und beinah' vor der Taufe ſtehen, um Sie für einen einfachen Mann zu halten. Sie ſind das Gegen¬ teil davon, Sie ſind gefährlich …“ „Das Schmeichelhafteſte, was einem guten Vier¬ ziger, mit einem a. D. auf der Karte, geſagt werden kann. Und nun alſo, was ſich Innſtetten dabei denkt …“ Effi nickte. „Ja, wenn ich durchaus ſprechen ſoll, er denkt ſich dabei, daß ein Mann, wie Landrat Baron Inn¬ ſtetten, der jeden Tag Miniſterial-Direktor oder der¬ gleichen werden kann (denn glauben Sie mir, er iſt hoch hinaus), daß ein Mann wie Baron Innſtetten nicht in einem gewöhnlichen Hauſe wohnen kann, nicht in einer ſolchen Kate, wie die landrätliche Wohnung, ich bitte um Vergebung, gnädigſte Frau, doch eigentlich iſt. Da hilft er denn nach. Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/237
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/237>, abgerufen am 24.11.2024.