Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
"Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier
haben, werden doch wohl untereinander die Augen
zudrücken können. Muß denn alles so furchtbar
gesetzlich sein? Alle Gesetzlichkeiten sind langweilig."

Effi klatschte in die Hände.

"Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie
Sie sehen, klatscht Ihnen Beifall. Natürlich; die
Weiber schreien sofort nach einem Schutzmann, aber
von Gesetz wollen sie nichts wissen."

"Das ist so Frauenrecht von alter Zeit her,
und wir werden's nicht ändern, Innstetten."

"Nein," lachte dieser, "und ich will es auch nicht.
Auf Mohrenwäsche lasse ich mich nicht ein. Aber einer
wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin
groß geworden ist und recht gut weiß, daß es ohne
Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie,
der sollte doch eigentlich so 'was nicht reden, auch
nicht einmal im Spaß. Indessen, ich weiß schon,
Sie haben einen himmlischen Kehrmichnichtdran und
denken, der Himmel wird nicht gleich einstürzen.
Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es."

Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil
er glaubte, das alles sei mit einer gewissen Absicht
gesprochen, was aber nicht der Fall war. Innstetten
hielt nur einen seiner kleinen moralischen Vorträge,
zu denen er überhaupt hinneigte. "Da lob' ich mir

Effi Brieſt
„Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier
haben, werden doch wohl untereinander die Augen
zudrücken können. Muß denn alles ſo furchtbar
geſetzlich ſein? Alle Geſetzlichkeiten ſind langweilig.“

Effi klatſchte in die Hände.

„Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie
Sie ſehen, klatſcht Ihnen Beifall. Natürlich; die
Weiber ſchreien ſofort nach einem Schutzmann, aber
von Geſetz wollen ſie nichts wiſſen.“

„Das iſt ſo Frauenrecht von alter Zeit her,
und wir werden's nicht ändern, Innſtetten.“

„Nein,“ lachte dieſer, „und ich will es auch nicht.
Auf Mohrenwäſche laſſe ich mich nicht ein. Aber einer
wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin
groß geworden iſt und recht gut weiß, daß es ohne
Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie,
der ſollte doch eigentlich ſo 'was nicht reden, auch
nicht einmal im Spaß. Indeſſen, ich weiß ſchon,
Sie haben einen himmliſchen Kehrmichnichtdran und
denken, der Himmel wird nicht gleich einſtürzen.
Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es.“

Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil
er glaubte, das alles ſei mit einer gewiſſen Abſicht
geſprochen, was aber nicht der Fall war. Innſtetten
hielt nur einen ſeiner kleinen moraliſchen Vorträge,
zu denen er überhaupt hinneigte. „Da lob' ich mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0231" n="222"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>&#x201E;Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier<lb/>
haben, werden doch wohl untereinander die Augen<lb/>
zudrücken können. Muß denn alles &#x017F;o furchtbar<lb/>
ge&#x017F;etzlich &#x017F;ein? Alle Ge&#x017F;etzlichkeiten &#x017F;ind langweilig.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Effi klat&#x017F;chte in die Hände.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie<lb/>
Sie &#x017F;ehen, klat&#x017F;cht Ihnen Beifall. Natürlich; die<lb/>
Weiber &#x017F;chreien &#x017F;ofort nach einem Schutzmann, aber<lb/>
von Ge&#x017F;etz wollen &#x017F;ie nichts wi&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t &#x017F;o Frauenrecht von alter Zeit her,<lb/>
und wir werden's nicht ändern, Inn&#x017F;tetten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein,&#x201C; lachte die&#x017F;er, &#x201E;und ich will es auch nicht.<lb/>
Auf Mohrenwä&#x017F;che la&#x017F;&#x017F;e ich mich nicht ein. Aber einer<lb/>
wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin<lb/>
groß geworden i&#x017F;t und recht gut weiß, daß es ohne<lb/>
Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie,<lb/>
der &#x017F;ollte doch eigentlich &#x017F;o 'was nicht reden, auch<lb/>
nicht einmal im Spaß. Inde&#x017F;&#x017F;en, ich weiß &#x017F;chon,<lb/>
Sie haben einen himmli&#x017F;chen Kehrmichnichtdran und<lb/>
denken, der Himmel wird nicht gleich ein&#x017F;türzen.<lb/>
Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil<lb/>
er glaubte, das alles &#x017F;ei mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Ab&#x017F;icht<lb/>
ge&#x017F;prochen, was aber nicht der Fall war. Inn&#x017F;tetten<lb/>
hielt nur einen &#x017F;einer kleinen morali&#x017F;chen Vorträge,<lb/>
zu denen er überhaupt hinneigte. &#x201E;Da lob' ich mir<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0231] Effi Brieſt „Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier haben, werden doch wohl untereinander die Augen zudrücken können. Muß denn alles ſo furchtbar geſetzlich ſein? Alle Geſetzlichkeiten ſind langweilig.“ Effi klatſchte in die Hände. „Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie Sie ſehen, klatſcht Ihnen Beifall. Natürlich; die Weiber ſchreien ſofort nach einem Schutzmann, aber von Geſetz wollen ſie nichts wiſſen.“ „Das iſt ſo Frauenrecht von alter Zeit her, und wir werden's nicht ändern, Innſtetten.“ „Nein,“ lachte dieſer, „und ich will es auch nicht. Auf Mohrenwäſche laſſe ich mich nicht ein. Aber einer wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin groß geworden iſt und recht gut weiß, daß es ohne Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie, der ſollte doch eigentlich ſo 'was nicht reden, auch nicht einmal im Spaß. Indeſſen, ich weiß ſchon, Sie haben einen himmliſchen Kehrmichnichtdran und denken, der Himmel wird nicht gleich einſtürzen. Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es.“ Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil er glaubte, das alles ſei mit einer gewiſſen Abſicht geſprochen, was aber nicht der Fall war. Innſtetten hielt nur einen ſeiner kleinen moraliſchen Vorträge, zu denen er überhaupt hinneigte. „Da lob' ich mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/231
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/231>, abgerufen am 24.11.2024.