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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
gemütlich, weil Effi dem, was ihr persönlich bevor¬
stand, ungeängstigter als früher entgegen sah. Auch
glaubte sie nicht, daß es so nahe sei. Den neunten
Tag aber war es mit dem Plaudern und den Gemütlich¬
keiten vorbei; da gab es ein Laufen und Rennen,
Innstetten selbst kam ganz aus seiner gewohnten
Reserve heraus, und am Morgen des 3. Juli stand
neben Effi's Bett eine Wiege. Doktor Hannemann
patschelte der jungen Frau die Hand und sagte:
"Wir haben heute den Tag von Königgrätz; schade,
daß es ein Mädchen ist. Aber das andere kann ja
nachkommen, und die Preußen haben viele Sieges¬
tage." Roswitha mochte wohl Ähnliches denken,
freute sich indessen vorläufig ganz uneingeschränkt
über das, was da war, und nannte das Kind ohne
weiteres "Lütt-Annie", was der jungen Mutter als
ein Zeichen galt. "Es müsse doch wohl eine Ein¬
gebung gewesen sein, daß Roswitha gerade auf diesen
Namen gekommen sei." Selbst Innstetten wußte
nichts dagegen zu sagen, und so wurde schon von
Klein-Annie gesprochen, lange bevor der Tauftag da
war. Effi, die von Mitte August an bei den Eltern in
Hohen-Cremmen sein wollte, hätte die Taufe gern bis
dahin verschoben. Aber es ließ sich nicht thun; Inn¬
stetten konnte nicht Urlaub nehmen, und so wurde
denn der 15. August, trotzdem es der Napoleonstag

Effi Brieſt
gemütlich, weil Effi dem, was ihr perſönlich bevor¬
ſtand, ungeängſtigter als früher entgegen ſah. Auch
glaubte ſie nicht, daß es ſo nahe ſei. Den neunten
Tag aber war es mit dem Plaudern und den Gemütlich¬
keiten vorbei; da gab es ein Laufen und Rennen,
Innſtetten ſelbſt kam ganz aus ſeiner gewohnten
Reſerve heraus, und am Morgen des 3. Juli ſtand
neben Effi's Bett eine Wiege. Doktor Hannemann
patſchelte der jungen Frau die Hand und ſagte:
„Wir haben heute den Tag von Königgrätz; ſchade,
daß es ein Mädchen iſt. Aber das andere kann ja
nachkommen, und die Preußen haben viele Sieges¬
tage.“ Roswitha mochte wohl Ähnliches denken,
freute ſich indeſſen vorläufig ganz uneingeſchränkt
über das, was da war, und nannte das Kind ohne
weiteres „Lütt-Annie“, was der jungen Mutter als
ein Zeichen galt. „Es müſſe doch wohl eine Ein¬
gebung geweſen ſein, daß Roswitha gerade auf dieſen
Namen gekommen ſei.“ Selbſt Innſtetten wußte
nichts dagegen zu ſagen, und ſo wurde ſchon von
Klein-Annie geſprochen, lange bevor der Tauftag da
war. Effi, die von Mitte Auguſt an bei den Eltern in
Hohen-Cremmen ſein wollte, hätte die Taufe gern bis
dahin verſchoben. Aber es ließ ſich nicht thun; Inn¬
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[198/0207] Effi Brieſt gemütlich, weil Effi dem, was ihr perſönlich bevor¬ ſtand, ungeängſtigter als früher entgegen ſah. Auch glaubte ſie nicht, daß es ſo nahe ſei. Den neunten Tag aber war es mit dem Plaudern und den Gemütlich¬ keiten vorbei; da gab es ein Laufen und Rennen, Innſtetten ſelbſt kam ganz aus ſeiner gewohnten Reſerve heraus, und am Morgen des 3. Juli ſtand neben Effi's Bett eine Wiege. Doktor Hannemann patſchelte der jungen Frau die Hand und ſagte: „Wir haben heute den Tag von Königgrätz; ſchade, daß es ein Mädchen iſt. Aber das andere kann ja nachkommen, und die Preußen haben viele Sieges¬ tage.“ Roswitha mochte wohl Ähnliches denken, freute ſich indeſſen vorläufig ganz uneingeſchränkt über das, was da war, und nannte das Kind ohne weiteres „Lütt-Annie“, was der jungen Mutter als ein Zeichen galt. „Es müſſe doch wohl eine Ein¬ gebung geweſen ſein, daß Roswitha gerade auf dieſen Namen gekommen ſei.“ Selbſt Innſtetten wußte nichts dagegen zu ſagen, und ſo wurde ſchon von Klein-Annie geſprochen, lange bevor der Tauftag da war. Effi, die von Mitte Auguſt an bei den Eltern in Hohen-Cremmen ſein wollte, hätte die Taufe gern bis dahin verſchoben. Aber es ließ ſich nicht thun; Inn¬ ſtetten konnte nicht Urlaub nehmen, und ſo wurde denn der 15. Auguſt, trotzdem es der Napoleonstag

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/207>, abgerufen am 25.11.2024.