Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Dreizehntes Kapitel.

Der Sylvesterball hatte bis an den frühen
Morgen gedauert, und Effi war ausgiebig bewundert
worden, freilich nicht ganz so anstandslos wie das
Kamelienboukett, von dem man wußte, daß es aus
dem Gieshübler'schen Treibhause kam. Im übrigen
blieb auch nach dem Sylvesterball alles beim alten,
kaum daß Versuche gesellschaftlicher Annäherung ge¬
macht worden wären, und so kam es denn, daß der
Winter als recht lange dauernd empfunden wurde.
Besuche seitens der benachbarten Adelsfamilien fanden
nur selten statt, und dem pflichtschuldigen Gegen¬
besuche ging in einem halben Trauertone jedesmal
die Bemerkung voraus: "Ja, Geert, wenn es durch¬
aus sein muß, aber ich vergehe vor Langerweile."
Worte, denen Innstetten nur immer zustimmte.
Was an solchen Besuchsnachmittagen über Familie,
Kinder, auch Landwirtschaft gesagt wurde, mochte
gehen; wenn dann aber die kirchlichen Fragen an

Dreizehntes Kapitel.

Der Sylveſterball hatte bis an den frühen
Morgen gedauert, und Effi war ausgiebig bewundert
worden, freilich nicht ganz ſo anſtandslos wie das
Kamelienboukett, von dem man wußte, daß es aus
dem Gieshübler'ſchen Treibhauſe kam. Im übrigen
blieb auch nach dem Sylveſterball alles beim alten,
kaum daß Verſuche geſellſchaftlicher Annäherung ge¬
macht worden wären, und ſo kam es denn, daß der
Winter als recht lange dauernd empfunden wurde.
Beſuche ſeitens der benachbarten Adelsfamilien fanden
nur ſelten ſtatt, und dem pflichtſchuldigen Gegen¬
beſuche ging in einem halben Trauertone jedesmal
die Bemerkung voraus: „Ja, Geert, wenn es durch¬
aus ſein muß, aber ich vergehe vor Langerweile.“
Worte, denen Innſtetten nur immer zuſtimmte.
Was an ſolchen Beſuchsnachmittagen über Familie,
Kinder, auch Landwirtſchaft geſagt wurde, mochte
gehen; wenn dann aber die kirchlichen Fragen an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0181" n="[172]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Dreizehntes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <p>Der Sylve&#x017F;terball hatte bis an den frühen<lb/>
Morgen gedauert, und Effi war ausgiebig bewundert<lb/>
worden, freilich nicht ganz &#x017F;o an&#x017F;tandslos wie das<lb/>
Kamelienboukett, von dem man wußte, daß es aus<lb/>
dem Gieshübler'&#x017F;chen Treibhau&#x017F;e kam. Im übrigen<lb/>
blieb auch nach dem Sylve&#x017F;terball alles beim alten,<lb/>
kaum daß Ver&#x017F;uche ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlicher Annäherung ge¬<lb/>
macht worden wären, und &#x017F;o kam es denn, daß der<lb/>
Winter als recht lange dauernd empfunden wurde.<lb/>
Be&#x017F;uche &#x017F;eitens der benachbarten Adelsfamilien fanden<lb/>
nur &#x017F;elten &#x017F;tatt, und dem pflicht&#x017F;chuldigen Gegen¬<lb/>
be&#x017F;uche ging in einem halben Trauertone jedesmal<lb/>
die Bemerkung voraus: &#x201E;Ja, Geert, wenn es durch¬<lb/>
aus &#x017F;ein muß, aber ich vergehe vor Langerweile.&#x201C;<lb/>
Worte, denen Inn&#x017F;tetten nur immer zu&#x017F;timmte.<lb/>
Was an &#x017F;olchen Be&#x017F;uchsnachmittagen über Familie,<lb/>
Kinder, auch Landwirt&#x017F;chaft ge&#x017F;agt wurde, mochte<lb/>
gehen; wenn dann aber die kirchlichen Fragen an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[172]/0181] Dreizehntes Kapitel. Der Sylveſterball hatte bis an den frühen Morgen gedauert, und Effi war ausgiebig bewundert worden, freilich nicht ganz ſo anſtandslos wie das Kamelienboukett, von dem man wußte, daß es aus dem Gieshübler'ſchen Treibhauſe kam. Im übrigen blieb auch nach dem Sylveſterball alles beim alten, kaum daß Verſuche geſellſchaftlicher Annäherung ge¬ macht worden wären, und ſo kam es denn, daß der Winter als recht lange dauernd empfunden wurde. Beſuche ſeitens der benachbarten Adelsfamilien fanden nur ſelten ſtatt, und dem pflichtſchuldigen Gegen¬ beſuche ging in einem halben Trauertone jedesmal die Bemerkung voraus: „Ja, Geert, wenn es durch¬ aus ſein muß, aber ich vergehe vor Langerweile.“ Worte, denen Innſtetten nur immer zuſtimmte. Was an ſolchen Beſuchsnachmittagen über Familie, Kinder, auch Landwirtſchaft geſagt wurde, mochte gehen; wenn dann aber die kirchlichen Fragen an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/181
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [172]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/181>, abgerufen am 23.11.2024.