Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
oder es ist mir wenigstens so vorgekommen, als ich
fest schlief und Innstetten auf Besuch beim Fürsten
war. Es war schrecklich; ich möchte so 'was nicht
wieder erleben. Und in ein solches Haus, so hübsch
es sonst ist (es ist sonderbarer Weise gemütlich und
unheimlich zugleich), kann ich Dich doch nicht gut
einladen. Und Innstetten, trotzdem ich ihm schließlich
in vielen Stücken zustimmte, hat sich dabei, so viel
möcht' ich sagen dürfen, auch nicht ganz richtig be¬
nommen. Er verlangte von mir, ich solle das alles
als alten Weiberunsinn ansehen und darüber lachen,
aber mit einemmal schien er doch auch wieder
selber daran zu glauben, und stellte mir zugleich
die sonderbare Zumutung, einen solchen Hausspuk
als etwas Vornehmes und Altadliges anzusehen. Das
kann ich aber nicht und will es auch nicht. Er
ist in diesem Punkte, so gütig er sonst ist, nicht gütig
und nachsichtig genug gegen mich. Denn daß es etwas
damit ist, das weiß ich von Johanna und weiß es
auch von unserer Frau Kruse. Das ist nämlich
unsere Kutscherfrau, die mit einem schwarzen Huhn
beständig in einer überheizten Stube sitzt. Dies
allein schon ist ängstlich genug. Und nun weißt
Du, warum ich kommen will, wenn es erst so weit
ist. Ach, wäre es nur erst so weit. Es sind so viele
Gründe, warum ich es wünsche. Heute abend haben

Effi Brieſt
oder es iſt mir wenigſtens ſo vorgekommen, als ich
feſt ſchlief und Innſtetten auf Beſuch beim Fürſten
war. Es war ſchrecklich; ich möchte ſo 'was nicht
wieder erleben. Und in ein ſolches Haus, ſo hübſch
es ſonſt iſt (es iſt ſonderbarer Weiſe gemütlich und
unheimlich zugleich), kann ich Dich doch nicht gut
einladen. Und Innſtetten, trotzdem ich ihm ſchließlich
in vielen Stücken zuſtimmte, hat ſich dabei, ſo viel
möcht' ich ſagen dürfen, auch nicht ganz richtig be¬
nommen. Er verlangte von mir, ich ſolle das alles
als alten Weiberunſinn anſehen und darüber lachen,
aber mit einemmal ſchien er doch auch wieder
ſelber daran zu glauben, und ſtellte mir zugleich
die ſonderbare Zumutung, einen ſolchen Hausſpuk
als etwas Vornehmes und Altadliges anzuſehen. Das
kann ich aber nicht und will es auch nicht. Er
iſt in dieſem Punkte, ſo gütig er ſonſt iſt, nicht gütig
und nachſichtig genug gegen mich. Denn daß es etwas
damit iſt, das weiß ich von Johanna und weiß es
auch von unſerer Frau Kruſe. Das iſt nämlich
unſere Kutſcherfrau, die mit einem ſchwarzen Huhn
beſtändig in einer überheizten Stube ſitzt. Dies
allein ſchon iſt ängſtlich genug. Und nun weißt
Du, warum ich kommen will, wenn es erſt ſo weit
iſt. Ach, wäre es nur erſt ſo weit. Es ſind ſo viele
Gründe, warum ich es wünſche. Heute abend haben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="170"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>oder es i&#x017F;t mir wenig&#x017F;tens &#x017F;o vorgekommen, als ich<lb/>
fe&#x017F;t &#x017F;chlief und Inn&#x017F;tetten auf Be&#x017F;uch beim Für&#x017F;ten<lb/>
war. Es war &#x017F;chrecklich; ich möchte &#x017F;o 'was nicht<lb/>
wieder erleben. Und in ein &#x017F;olches Haus, &#x017F;o hüb&#x017F;ch<lb/>
es &#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t (es i&#x017F;t &#x017F;onderbarer Wei&#x017F;e gemütlich und<lb/>
unheimlich zugleich), kann ich Dich doch nicht gut<lb/>
einladen. Und Inn&#x017F;tetten, trotzdem ich ihm &#x017F;chließlich<lb/>
in vielen Stücken zu&#x017F;timmte, hat &#x017F;ich dabei, &#x017F;o viel<lb/>
möcht' ich &#x017F;agen dürfen, auch nicht ganz richtig be¬<lb/>
nommen. Er verlangte von mir, ich &#x017F;olle das alles<lb/>
als alten Weiberun&#x017F;inn an&#x017F;ehen und darüber lachen,<lb/>
aber mit einemmal &#x017F;chien er doch auch wieder<lb/>
&#x017F;elber daran zu glauben, und &#x017F;tellte mir zugleich<lb/>
die &#x017F;onderbare Zumutung, einen &#x017F;olchen Haus&#x017F;puk<lb/>
als etwas Vornehmes und Altadliges anzu&#x017F;ehen. Das<lb/>
kann ich aber nicht und will es auch nicht. Er<lb/>
i&#x017F;t in die&#x017F;em Punkte, &#x017F;o gütig er &#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t, nicht gütig<lb/>
und nach&#x017F;ichtig genug gegen mich. Denn daß es etwas<lb/>
damit i&#x017F;t, das weiß ich von Johanna und weiß es<lb/>
auch von un&#x017F;erer Frau Kru&#x017F;e. Das i&#x017F;t nämlich<lb/>
un&#x017F;ere Kut&#x017F;cherfrau, die mit einem &#x017F;chwarzen Huhn<lb/>
be&#x017F;tändig in einer überheizten Stube &#x017F;itzt. Dies<lb/>
allein &#x017F;chon i&#x017F;t äng&#x017F;tlich genug. Und nun weißt<lb/>
Du, warum <hi rendition="#g">ich</hi> kommen will, wenn es er&#x017F;t &#x017F;o weit<lb/>
i&#x017F;t. Ach, wäre es nur er&#x017F;t &#x017F;o weit. Es &#x017F;ind &#x017F;o viele<lb/>
Gründe, warum ich es wün&#x017F;che. Heute abend haben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0179] Effi Brieſt oder es iſt mir wenigſtens ſo vorgekommen, als ich feſt ſchlief und Innſtetten auf Beſuch beim Fürſten war. Es war ſchrecklich; ich möchte ſo 'was nicht wieder erleben. Und in ein ſolches Haus, ſo hübſch es ſonſt iſt (es iſt ſonderbarer Weiſe gemütlich und unheimlich zugleich), kann ich Dich doch nicht gut einladen. Und Innſtetten, trotzdem ich ihm ſchließlich in vielen Stücken zuſtimmte, hat ſich dabei, ſo viel möcht' ich ſagen dürfen, auch nicht ganz richtig be¬ nommen. Er verlangte von mir, ich ſolle das alles als alten Weiberunſinn anſehen und darüber lachen, aber mit einemmal ſchien er doch auch wieder ſelber daran zu glauben, und ſtellte mir zugleich die ſonderbare Zumutung, einen ſolchen Hausſpuk als etwas Vornehmes und Altadliges anzuſehen. Das kann ich aber nicht und will es auch nicht. Er iſt in dieſem Punkte, ſo gütig er ſonſt iſt, nicht gütig und nachſichtig genug gegen mich. Denn daß es etwas damit iſt, das weiß ich von Johanna und weiß es auch von unſerer Frau Kruſe. Das iſt nämlich unſere Kutſcherfrau, die mit einem ſchwarzen Huhn beſtändig in einer überheizten Stube ſitzt. Dies allein ſchon iſt ängſtlich genug. Und nun weißt Du, warum ich kommen will, wenn es erſt ſo weit iſt. Ach, wäre es nur erſt ſo weit. Es ſind ſo viele Gründe, warum ich es wünſche. Heute abend haben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/179
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/179>, abgerufen am 25.11.2024.