segnete es, daß sie selber einen Hausstand hatte, dessen Ansprüche befriedigt werden mußten. Es galt nachsinnen, fragen, anschaffen, und das alles ließ trübe Gedanken nicht aufkommen. Am Tage vor Heiligabend trafen Geschenke von den Eltern aus Hohen-Cremmen ein, und mit in die Kiste waren allerhand Kleinigkeiten aus dem Kantorhause gepackt: wunderschöne Reinetten von einem Baum, den Effi und Jahnke vor mehreren Jahren gemeinschaftlich okuliert hatten, und dazu braune Puls- und Knie¬ wärmer von Bertha und Hertha. Hulda schrieb nur wenige Zeilen, weil sie, wie sie sich entschuldigte, für X. noch eine Reisedecke zu stricken habe. "Was einfach nicht wahr ist," sagte Effi. "Ich wette, X. existiert gar nicht. Daß sie nicht davon lassen kann, sich mit Anbetern zu umgeben, die nicht da sind!"
Und so kam Heiligabend heran.
Innstetten selbst baute auf für seine junge Frau, der Baum brannte und ein kleiner Engel schwebte oben in Lüften. Auch eine Krippe war da mit hübschen Transparenten und Inschriften, deren eine sich, in leiser Andeutung, auf ein dem Innstetten'¬ schen Hause für nächstes Jahr bevorstehendes Er¬ eignis bezog. Effi las es und errötete. Dann ging sie auf Innstetten zu, um ihm zu danken, aber eh' sie dies konnte, flog, nach altpommerschem Weihnachts¬
11 *
Effi Brieſt
ſegnete es, daß ſie ſelber einen Hausſtand hatte, deſſen Anſprüche befriedigt werden mußten. Es galt nachſinnen, fragen, anſchaffen, und das alles ließ trübe Gedanken nicht aufkommen. Am Tage vor Heiligabend trafen Geſchenke von den Eltern aus Hohen-Cremmen ein, und mit in die Kiſte waren allerhand Kleinigkeiten aus dem Kantorhauſe gepackt: wunderſchöne Reinetten von einem Baum, den Effi und Jahnke vor mehreren Jahren gemeinſchaftlich okuliert hatten, und dazu braune Puls- und Knie¬ wärmer von Bertha und Hertha. Hulda ſchrieb nur wenige Zeilen, weil ſie, wie ſie ſich entſchuldigte, für X. noch eine Reiſedecke zu ſtricken habe. „Was einfach nicht wahr iſt,“ ſagte Effi. „Ich wette, X. exiſtiert gar nicht. Daß ſie nicht davon laſſen kann, ſich mit Anbetern zu umgeben, die nicht da ſind!“
Und ſo kam Heiligabend heran.
Innſtetten ſelbſt baute auf für ſeine junge Frau, der Baum brannte und ein kleiner Engel ſchwebte oben in Lüften. Auch eine Krippe war da mit hübſchen Tranſparenten und Inſchriften, deren eine ſich, in leiſer Andeutung, auf ein dem Innſtetten'¬ ſchen Hauſe für nächſtes Jahr bevorſtehendes Er¬ eignis bezog. Effi las es und errötete. Dann ging ſie auf Innſtetten zu, um ihm zu danken, aber eh' ſie dies konnte, flog, nach altpommerſchem Weihnachts¬
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Effi Brieſt
ſegnete es, daß ſie ſelber einen Hausſtand hatte,
deſſen Anſprüche befriedigt werden mußten. Es galt
nachſinnen, fragen, anſchaffen, und das alles ließ
trübe Gedanken nicht aufkommen. Am Tage vor
Heiligabend trafen Geſchenke von den Eltern aus
Hohen-Cremmen ein, und mit in die Kiſte waren
allerhand Kleinigkeiten aus dem Kantorhauſe gepackt:
wunderſchöne Reinetten von einem Baum, den Effi
und Jahnke vor mehreren Jahren gemeinſchaftlich
okuliert hatten, und dazu braune Puls- und Knie¬
wärmer von Bertha und Hertha. Hulda ſchrieb
nur wenige Zeilen, weil ſie, wie ſie ſich entſchuldigte,
für X. noch eine Reiſedecke zu ſtricken habe. „Was
einfach nicht wahr iſt,“ ſagte Effi. „Ich wette, X.
exiſtiert gar nicht. Daß ſie nicht davon laſſen kann,
ſich mit Anbetern zu umgeben, die nicht da ſind!“
Und ſo kam Heiligabend heran.
Innſtetten ſelbſt baute auf für ſeine junge Frau,
der Baum brannte und ein kleiner Engel ſchwebte
oben in Lüften. Auch eine Krippe war da mit
hübſchen Tranſparenten und Inſchriften, deren eine
ſich, in leiſer Andeutung, auf ein dem Innſtetten'¬
ſchen Hauſe für nächſtes Jahr bevorſtehendes Er¬
eignis bezog. Effi las es und errötete. Dann ging
ſie auf Innſtetten zu, um ihm zu danken, aber eh'
ſie dies konnte, flog, nach altpommerſchem Weihnachts¬
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/172>, abgerufen am 16.07.2024.
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