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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Zwölftes Kapitel.

Es war spät, als man aufbrach. Schon bald
nach Zehn hatte Effi zu Gieshübler gesagt: "es sei
nun wohl Zeit; Fräulein Trippelli, die den Zug
nicht versäumen dürfe, müsse ja schon um sechs von
Kessin aufbrechen," die daneben stehende Trippelli
aber, die diese Worte gehört, hatte mit der ihr
eigenen ungenierten Beredsamkeit gegen solche zarte
Rücksichtsnahme protestiert. "Ach, meine gnädigste
Frau, Sie glauben, daß unsereins einen regelmäßigen
Schlaf braucht, das trifft aber nicht zu; was wir
regelmäßig brauchen, heißt Beifall und hohe Preise.
Ja, lachen Sie nur. Außerdem, (so 'was lernt man,)
kann ich auch im Coupe schlafen, in jeder Situation
und sogar auf der linken Seite und brauche nicht
einmal das Kleid aufzumachen. Freilich bin ich auch
nie eingepreßt; Brust und Lunge müssen immer frei
sein, und vor allem das Herz. "Ja, meine gnädigste
Frau, das ist die Hauptsache. Und dann das Kapitel

Zwölftes Kapitel.

Es war ſpät, als man aufbrach. Schon bald
nach Zehn hatte Effi zu Gieshübler geſagt: „es ſei
nun wohl Zeit; Fräulein Trippelli, die den Zug
nicht verſäumen dürfe, müſſe ja ſchon um ſechs von
Keſſin aufbrechen,“ die daneben ſtehende Trippelli
aber, die dieſe Worte gehört, hatte mit der ihr
eigenen ungenierten Beredſamkeit gegen ſolche zarte
Rückſichtsnahme proteſtiert. „Ach, meine gnädigſte
Frau, Sie glauben, daß unſereins einen regelmäßigen
Schlaf braucht, das trifft aber nicht zu; was wir
regelmäßig brauchen, heißt Beifall und hohe Preiſe.
Ja, lachen Sie nur. Außerdem, (ſo 'was lernt man,)
kann ich auch im Coupé ſchlafen, in jeder Situation
und ſogar auf der linken Seite und brauche nicht
einmal das Kleid aufzumachen. Freilich bin ich auch
nie eingepreßt; Bruſt und Lunge müſſen immer frei
ſein, und vor allem das Herz. „Ja, meine gnädigſte
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[[159]/0168] Zwölftes Kapitel. Es war ſpät, als man aufbrach. Schon bald nach Zehn hatte Effi zu Gieshübler geſagt: „es ſei nun wohl Zeit; Fräulein Trippelli, die den Zug nicht verſäumen dürfe, müſſe ja ſchon um ſechs von Keſſin aufbrechen,“ die daneben ſtehende Trippelli aber, die dieſe Worte gehört, hatte mit der ihr eigenen ungenierten Beredſamkeit gegen ſolche zarte Rückſichtsnahme proteſtiert. „Ach, meine gnädigſte Frau, Sie glauben, daß unſereins einen regelmäßigen Schlaf braucht, das trifft aber nicht zu; was wir regelmäßig brauchen, heißt Beifall und hohe Preiſe. Ja, lachen Sie nur. Außerdem, (ſo 'was lernt man,) kann ich auch im Coupé ſchlafen, in jeder Situation und ſogar auf der linken Seite und brauche nicht einmal das Kleid aufzumachen. Freilich bin ich auch nie eingepreßt; Bruſt und Lunge müſſen immer frei ſein, und vor allem das Herz. „Ja, meine gnädigſte Frau, das iſt die Hauptſache. Und dann das Kapitel

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [159]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/168>, abgerufen am 25.11.2024.