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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
als ob ich bei diesem Fürsten -- der übrigens nur
zu den Kleineren zählt und nicht mehr als tausend
Seelen hat, das heißt hatte (früher wo die Rech¬
nung noch nach Seelen ging) -- als ob ich stolz
wäre, seine tausend und einste Seele zu sein. Nein,
es liegt wirklich anders; "immer frei weg", Sie
kennen meine Devise, Gieshübler. Kotschukoff ist ein
guter Kamerad und mein Freund, aber von Kunst
und ähnlichen Sachen versteht er gar nichts, von
Musik gewiß nicht, wiewohl er Messen und Oratorien
komponiert -- die meisten russischen Fürsten, wenn
sie Kunst treiben, fallen ein bißchen nach der geist¬
lichen oder orthodoxen Seite hin --, und zu den
vielen Dingen, von denen er nichts versteht, gehören
auch unbedingt Einrichtungs- und Tapezierfragen.
Er ist gerade vornehm genug, um sich alles als
schön aufreden zu lassen, was bunt aussieht und viel
Geld kostet."

Innstetten amüsierte sich, und Pastor Lindequist
war in einem allersichtlichsten Behagen. Die gute
alte Trippel aber geriet über den ungenierten Ton
ihrer Tochter aus einer Verlegenheit in die andere,
während Gieshübler es für angezeigt hielt, eine so
schwierig werdende Unterhaltung zu coupieren. Dazu
waren etliche Gesangspiecen das beste. Daß Marietta
Lieder von anfechtbarem Inhalt wählen würde, war

Effi Brieſt
als ob ich bei dieſem Fürſten — der übrigens nur
zu den Kleineren zählt und nicht mehr als tauſend
Seelen hat, das heißt hatte (früher wo die Rech¬
nung noch nach Seelen ging) — als ob ich ſtolz
wäre, ſeine tauſend und einſte Seele zu ſein. Nein,
es liegt wirklich anders; „immer frei weg“, Sie
kennen meine Deviſe, Gieshübler. Kotſchukoff iſt ein
guter Kamerad und mein Freund, aber von Kunſt
und ähnlichen Sachen verſteht er gar nichts, von
Muſik gewiß nicht, wiewohl er Meſſen und Oratorien
komponiert — die meiſten ruſſiſchen Fürſten, wenn
ſie Kunſt treiben, fallen ein bißchen nach der geiſt¬
lichen oder orthodoxen Seite hin —, und zu den
vielen Dingen, von denen er nichts verſteht, gehören
auch unbedingt Einrichtungs- und Tapezierfragen.
Er iſt gerade vornehm genug, um ſich alles als
ſchön aufreden zu laſſen, was bunt ausſieht und viel
Geld koſtet.“

Innſtetten amüſierte ſich, und Paſtor Lindequiſt
war in einem allerſichtlichſten Behagen. Die gute
alte Trippel aber geriet über den ungenierten Ton
ihrer Tochter aus einer Verlegenheit in die andere,
während Gieshübler es für angezeigt hielt, eine ſo
ſchwierig werdende Unterhaltung zu coupieren. Dazu
waren etliche Geſangspiecen das beſte. Daß Marietta
Lieder von anfechtbarem Inhalt wählen würde, war

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[152/0161] Effi Brieſt als ob ich bei dieſem Fürſten — der übrigens nur zu den Kleineren zählt und nicht mehr als tauſend Seelen hat, das heißt hatte (früher wo die Rech¬ nung noch nach Seelen ging) — als ob ich ſtolz wäre, ſeine tauſend und einſte Seele zu ſein. Nein, es liegt wirklich anders; „immer frei weg“, Sie kennen meine Deviſe, Gieshübler. Kotſchukoff iſt ein guter Kamerad und mein Freund, aber von Kunſt und ähnlichen Sachen verſteht er gar nichts, von Muſik gewiß nicht, wiewohl er Meſſen und Oratorien komponiert — die meiſten ruſſiſchen Fürſten, wenn ſie Kunſt treiben, fallen ein bißchen nach der geiſt¬ lichen oder orthodoxen Seite hin —, und zu den vielen Dingen, von denen er nichts verſteht, gehören auch unbedingt Einrichtungs- und Tapezierfragen. Er iſt gerade vornehm genug, um ſich alles als ſchön aufreden zu laſſen, was bunt ausſieht und viel Geld koſtet.“ Innſtetten amüſierte ſich, und Paſtor Lindequiſt war in einem allerſichtlichſten Behagen. Die gute alte Trippel aber geriet über den ungenierten Ton ihrer Tochter aus einer Verlegenheit in die andere, während Gieshübler es für angezeigt hielt, eine ſo ſchwierig werdende Unterhaltung zu coupieren. Dazu waren etliche Geſangspiecen das beſte. Daß Marietta Lieder von anfechtbarem Inhalt wählen würde, war

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/161>, abgerufen am 24.11.2024.